Montag, 2. Januar 2012

Abenteuer Sylvester in Port Said

Wir haben einfach mal beschlossen, dass wir auch Sylvesterknallerei haben wollten - interessanterweise wollte es besonders S., auch wenn es in der Türkei eher weniger üblich ist als für mich, der ich ja aus dem guten alten, geistergläubigen Deutschland kommme, wo in das neue Jahr hinein gekracht und gezündelt wird, als gäbe es nicht nur böse Geister zu vertreiben sondern noch viel mehr zu böllern und zu blenden ...
Wir zogen los, glaubten, in einem Supermarkt im Bazar fündig zu werden - aber nein, nur Wunderkerzen gab es da und Tischfeuerwerk der langweiligeren Sorte. Also ging es weiter. Wir fragten in einem öden, kleinen Geschenkeladen, in dem ein eher älterer, unscheinbarer Mann arbeitete und als er an unseren gestenreiche Erklärung verstanden hattem was unser Begehr sei, tat ganz geheimnissvoll und führte er uns zu seinem Auto und kramte aus dem Kofferraum eine Kiste mit - Feuerwerkskram heraus, allerdings der richtig fiese chinesische Kram Marke "spreng-dich-selbst-in-die-Luft". Wir kauften zwei Mini-Raketenstarter für viel zu viel Geld nach langem Handeln, wobei uns der gute Mann tausend mal versicherte, es sei verboten, Feuerwerk zu verkaufen, aber kein Problem, es zu zünden.

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Kaum hatten wir den Laden verlassen, dämmerte uns, dass wir 1.: den Blondypreis bezahlt hatten, Ägypter würden sicher nur ein Drittel des Preises bezahlen und dass wir 2.: vermutlich nur ein paar zischende Langweilerböllerchen erworben hatten, ganz und gar nicht die funkelnden Raketen, nach denen uns der Sinn stand.
Also zogen wir weiter, in der Hoffnung, im Schreibwarenladen fündig zu werden oder wenigstens den Besitzer fragen zu können, der ganz gut Englisch spricht (und nett sind die Leute dort auch).
Kaum hatten wir gefragt und der gute Mann verneint, als ihm einfiel, dass sein Cousen vor der Tür sei und dass der jemanden kenne, der jemanden kenne ...
Kurzentschlossen rief der Cousen also jemanden an, sprach am Telephon, erklärte, dass es ganz unterschiedliches Feuerwerk gäbe und wir mitkommen sollten. Wir zogen los, wurden in ein Taxi gesetzt und fuhren und fuhren und fuhren und kamen später, lange später irgendwo im Basar an. Dort wartete der Freund und es ging in einen Verliesähnlichen schmutzigen Verkaufsgang, der aussah wie der Nebenbeigang zu irgendwelchen aufgegebenen Futtermittellagern oder Ähnliches. Dort zog er aus einer heimlichen Ecke tatsächlich verschiedene Modelle von Feuerwerk hervor, zwar allsamt chinesischer Herkunft aber doch besser aussehend und auch teurer als jene Minibatterie, die wir schon hatten.
Dazu mehr später.

Zunächst kamen wir nach Hause und unsere Gäste warteten schon vor der Tür - drei Couchsurfer aus Deutschland, 18 Jahre alt aber mit mehr Auslandserfahrung als die meisten alten Säcke wie ich inzwischen einer bin ...

Die drei zogen bald wieder los, Freunde zu treffen während wir uns auf ein ruhiges Sylvester einrichteten, es uns gemütlich machen, uns an unserer Flasche Sekt betrinken wollten, die wir uns extra im Duty-free in Kairo besorgt hatten, ...
Nichts wurde daraus, draußen lärmte es plötzlich wie als wäre eine neue Revolution ausgebrochen, von oben aus dem 12. Stock sah es aus, als amüsierten sich die Menschen sehr, wir sausten also runter um zu sehen, was geschähe. Unten angekommen sahen wir es dann auch - und es wurde uns erklärt: Wer oder was immer sich in die Mitte der Straße traute, wurde von oben und den Seiten mit Wasserbomben attakiert, ein alter Brauch, der vor allem in unserer Gegend ausgeübt wird, so dass sich hier auch die Feierjugend versammelt hatte - viele viele Leute waren da, ausgestattet mit wassergefüllten Plastikbeuteln aus so feiner Folie, dass sie auch wirklich platzten beim Aufprall auf ein beliebiges Ziel, aber auch mit Beuteln voller Sand, manche gar mit Wurgeschossen aus Holz oder eben auch Kartons über dem Kopf als Schutz vor dem Bewurf von oben.
Besonderes Ziel waren die Autos auf der Gomhorreya Street, der Hauptstraße gleich um die Ecke - und dementsprechend gab es kaum Autos, die Leute hatten wo anders geparkt, fast niemand traute sich im Auto auf die Straße, diejenigen, die es taten, wurden auf`s heftigste attakiert mit ebendiesen Wurfgeschossen, anfangs Wasser, später aber leider auch gefährlicheres bis hin zu halben Backsteinen, die aus dem zweiten oder dritten Stock geschleudert wurden.

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Solange wir dort waren, war der Stein, der das Dach eines Autos demolierte, das heftigste Ereignis, später wurden wohl bei einigen Autos die Scheiben eingeschlagen (ein Kollege z.B., der sein Auto in der Nähe geparkt hatte, verlor Heck- und Frontscheibe, während das Dach des Autos von Wurfgeschossen arg zerbeult wurde) und es gab wohl richtige Straßenschlachten mit dem Austausch aller möglichen Wurfgeschosse, mit verletzten und sogar mit dem Einsatz von Schusswaffen.
Schade, wäre es bei Wasser geblieben, hätte es wirklich richtig Spaß gemacht.

Wir zumindest kletterten nachdem der Flugstein das Auto direkt neben mir getroffen hatte, wieder auf unser Dach, wo wir dann endlich unseren Sekt trinken konnten, anstoßen, und auch unsere Raketen starten ...

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(und hier ein erstes mal ein Photo nicht von mir selbst sondern von einem unserer Gäste, von Paul )

Donnerstag, 15. Dezember 2011

Illegaler Ausländer

Habe die Passkontrolle hinter mir und keiner hat geschimpft, obwohl ich doch nur ein Visum bis zum 7.12. hatte :-)

Mittwoch, 14. Dezember 2011

unterwegs - Rechenspiele

lange war es nicht sicher, jetzt hat sich doch herausgestellt, dass ich morgen nicht nach Deutschland fliege sondern nach Istanbul. Und deswegen habe ich auch heute erst mein Ticket für den Flug von Deutschland zürück nach Ägypten buchen können - den für Istanbul - Hannover am Sonntag hatte ich nach ein paar Minuten bei zwei Flugortalen und Turkish airways.
Aber der Ägyptenflug ist wirklich lustig:
Eigentlich wollte ich einen einfachen Flug Frankfurt Kairo ohne Rückflug, sollte ja nicht zu schwer sein.
Und siehe da, ist es auch nicht, bei http://www.airline-direct.de/ kostet der billigste Flug nach Kairo mit Saudi Air 355 EUro und dauert 18 Stunden - Saudi Air, mit 10 Stunden Wartezeit in Jeddah, genug, sich zu Tode zu langweilen auf dem Flughafen, nicht genug für einen Stadtbummel und ein nettes kleines Hotel - und nach Jeddah will ich auch nicht, mit Saudi Air nicht fliegen und wenn ich da 10 Stunden rumhänge, esse und trinke ich weit mehr, als ich einspare.
Nächste Möglichkeit: Charter für 420 Euro. Mir zu viel.

Egypt Air kostet da um die 470,- € für einen einfachen Flug.
Auf der Egypt-Air-Seite sind es dann noch 450 Euro, egal, ob ich mich als Ägypter einlogge oder als Deutscher - manchmal macht das ja auch unterschiede.

Aber: wenn ich den selben Flug mit Rückflug buche, dann zahle ich 378,- Euro.
Immerhin 72 Euro weniger. Gut, ich weiß wirklich ganz und gar nicht, wann ich den Rückflug brauche, also habe ich den spätest möglichen irgendwann im Dezember des nächsten Jahres genommen und werde für die Umbuchund wieder einen bestimmten Betrag zahlen müssen, aber insgesamt kostet mich der Rückflug auf die Art und Weise allerhöchstens 28,- Euro, wenn ich wieder, wie diesmal auch, sehr kurzfristig umbuchen muss - hätte ich jetzt ein konkretes Rückflugdatum gehat, wäre es insgesamt dann doch noch ein Schnäppchen geworden.

Aber besonders spaßig fand* ich dann doch das Angebot von Turkish Airways: Klar kann ich mit denen auch fliegen, von Hannover, ist mir eh tausend mal lieber als Frankfurt. Aber: Das Ticket kostet bei denen um die 470,- €, von Frankfurt sogar einen zehner mehr.
Wenn ich bei denen aber einen Hannover-Istanbul-Flug buche und dann en Flug Istanbul-Kairo extra, komme ich auf insgesamt 331,- € und habe nur vier Stunden Aufenthalt in Istanbul - oder kann eben früher oder später fliegen und die schönste Stadt der Welt genießen ....

Aber nein, Sylvester muss ich ja wieder hier sein, also Egypt Air mit Rückflug für ungefähr Umme oder gar weniger als Einzelticket.

Tigermücke

Sie sehen schon irgendwie putzig aus, diese elenden Viecher mit den Streifen, aber nervig sind sie - und übertragen alles mögliche.
Besonders fies: Sie lieben mich, wie auch die, die hier gerade um mich herumschwirrt.
Welche Art es ist, weiß ich nicht genau, die Tagaktivität lässt auf eine asiatische Tigermücke http://de.wikipedia.org/wiki/Asiatische_Tigerm%C3%BCcke schließen, die angeblich nicht hier vorkommt, stattdessen gibt es hier die ägyptische Tigermücke http://de.wikipedia.org/wiki/Gelbfieberm%C3%BCcke (der Name passt sehr gut) oder die Ringelmücke http://de.wikipedia.org/wiki/Ringelm%C3%BCcke


Egal, wie sie heißt, sie nervt!

Freitag, 9. Dezember 2011

Lachnummer

Ganz zufällig bin ich bei Wikipedia auf den Artikel über den BND gestoßen http://de.wikipedia.org/wiki/Bundesnachrichtendienst - dass wir öfter mal über dessen Versagen gelächelt und gelästert haben, konnte ich ja noch erinnern, aber dass d e r deutsche Auslandsnachrichtendienst so eine Lachnummer ist, war mir nicht bewusst, es ist schon arg peinlich, wenn man sich einfach mal die Zusammenstellung der bekannten Versager anschaut, vermutlich gibt es da viel mehr, von dem wir nichts wissen, und das meiste sind wohl weitere kömödiantische Einlagen der ungewollten Art oder kriminelle Machenschaften ...

Ansonsten: Zwei Tage mehr oder weniger mit Krankenpflege verbracht, unterbrochen von einer Stippvisite auf der Hochzeit eines Kollegen von S. - dazu könnte ich ja morgen mehr schreiben ...
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Dienstag, 6. Dezember 2011

Panzer?

Panzer?

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Ja, einfach so stehen plötzlich wieder Panzer auf den Straßen hier in Port Said und ein Konvoi mit Militärluxusjeeps fährt immer wieder mal durch die Stadt, ansonsten ist es ruhig wie immer.
Wirklich surreal, es herrscht Alltag und es scheint sich niemand um diese Panzer zu kümmern, die aber aus irgend einem Grund in die Stadt geschickt wurden.
Natürlich geht meine Phantasie sofort spazieren: Haben die Militärs plötzlich Angst vor den Menschen bekommen, die ihnen die Macht nehmen wollen und droht ein brutaler offener Angriff des Militärs auf die zarten Knospen der Demokratie?
Oder ist irgend ein militärischer Machtmensch zu Besuch in der Stadt, irgend einer mit vielen Sternchen? (mein Gott, Sternchen verteile ich in der Grundschule, in der sechsten, siebten Klasse wird man schon ausgelacht, wenn man das Wort nur in den Mund nimmt, aber bei Generals geilt man sich wieder daran auf, möglichst viele Sternchen zu bekommen)
Interessant auch, dass sich die Herren Generale hinter Panzern verstecken müssen. Spricht nicht für ihre menschlichen Qualitäten, eher für den Schiss, den sie vor der Demokratie haben, vor der Wahrheit, vor den Menschen ...


Ach so, noch eine kleine Info zum Bild: wiederholt wurde mir heute deutlich gemacht, dass man es gar nicht gut findet, wenn ich Photos vom Militär mache, also musste ich das Teleobjektiv benutzen und die Bilder, die ich machen konnte, sind nicht wirklich gut geworden.

Freitag, 2. Dezember 2011

situation normal all fucked up

In Ägypten wurde gewählt, das ändert aber gar nichts.
Nach wie vor ist das Militär an der Macht und wird diese vermutlich nicht so schnell abgeben, auch wenn der Wunschpartner des Militärs, die Islamisten die meisten Stimmen bei den Walen erhalten haben - auch sie sind eher rechts, eher auf den Erhalt des Status quo ausgerichtet, auch sie sind eher gegen eine zu weit gehende Befreiung des Volkes und vor allem sind sie gewiss nicht diejenigen, bei denen die Generäle und die alten Machthaber befürchten müssten, zur Rechenschaft gezogen zu werden - wenn Tantawi und Co Kirchen abreißen und Christen umbringen, dann lachen sich die Islamisten nur ins Fäustchen, benutzen sie doch genauso die Religion für ihre eigenen Ziele (und dass es den maßgeblichen Gestalten dabei um spirituelles Leben ginge, wage ich ganz heftig zu bezweifeln, gerade bei den Moslembrüdern und Salafis geht es um Pfründe, um Macht, um Besitz, auch darum, sich (auch als Mann) besser zu fühlen, weil ja die anderen (Christen, Juden, der Staat Israel als Sinnbild des Feindlichen und natürlich auch die Frau als unreine, böse Verführerin) Schuld sind. Da geht es ganz gewiss nicht um die Grundideen der Religion (und die sind auch im Islam Achtung des Nächsten, das Prinzip des Teilens, die Notwendigkeit, "gut" zu sein, wahrhaftig, vergebend, liebend, ... - und all das passt kaum in die gelebte "Religiösität" derer, die sich so wohlgefällig "Islam Btortherhood" nennen, oder "Salafis" ..)
Aber egal, geändert hat sich nichts an der realen Machtverteilung, das Militär regiert, eine zu bildende Übergangsregierung (wohlgemerkt keine, die irgendetwas mit diesem ersten Teil der Wahlen zu tun hätte, die ja noch lange nicht abgeschlossen sind), eine vom Militär bestimmte Regierungm, wird gebildet und wird Tantawis Befehle brav ausführen, der größte Teil des Volkes ist glücklich, weil gewählt wurde, weil wir ja jetzt ach so demokratisch sind, und wird brav daheim bleiben und abwarten.
Allmählich wird jegliche Opposition in den Gefängnissen verschwinden, das Militär ist gut darin, laut Amnesty International weit "besser" als das alte Mubarakregime, während die westliche Welt, während Amerika die wenigen, die in Ägypten noch aufzubegehren wagen, zur Mäßiggung aufruft. So geschah es vor anderthalb Wochen: Das Militär ließ friedliche Demonstranten reihenweise umbringen, was Amerika dann als Grund sah, die Demonstranten wie auch das Militär aufzurufen, brav zu sein, statt Stellung zu beziehen und deutlich zu machen, dass Tantawi und Co ganz und gar kein Recht haben, Menschen zu ermorden, die friedlich ihre Meinung sagen - aber das ist amerikanische Politik. Und die amerikanischen Geheimdienste sind ja sowieso dafür bekannt, dass sie sich besonders gut mit Militärdiktaturen verstehen während Demokratien gar nicht so beliebt dort sind ...


Oh, ich werde wieder viel zu politisch. Eigentlich wollte ich nur sagen, dass die Wahlen nichts ändern, dass sich die Militärdiktatur betoniert und einen demokratischem Schleier übergeworfen hat zur Tarnung, dass ein mehr oder weniger menschenverachtendes System aufgebaut wird hierzulande und dass die meisten Menschen sich blenden lassen vom Prozess der Stimmabgabe.

Und was mache ich? Ihc halte mich brav raus und bin stolz darauf, diese Woche schon fünf mal alle 12 Stockwerke hinauf gewandert zu sein, jedes mal 226 Stufen. So vertreibt man sich die Zeit in Zeiten der Revolution.

Donnerstag, 1. Dezember 2011

Immer noch in Zeiten der Revolution in Ägypten ...

In Port Said geht das Leben ganz normal weiter.
Die Wahlen von Montag und Dienstag wurden begeistert wahrgenommen, schon Morgens um 10 trafen wir Leute, die nach Wahlteilnahme wirklich glücklich im Café saßen und Frühstückten - also schon eine Stunde nach Öffnung der Wahllokale ...
"Wir sind glücklich. Das war eine wirklich freie Wahl. Wir konnten verdeckt wählen, niemand hat zugeguckt, es gab keine Gewehre und es gab sogar einen Richter, der aufgepasst hat. Ja, das waren richtig gute Wahlen" fasste einer der älteren Herren, alle arbeiten sie im Handel in Port Said, das Erlebnis der ersten freien Wahl seit vielen Jahrzehnten zusammen.
Außerdem meinten sie, dass bald die Jugend nicht mehr auf den Tahrir Platz gehen müsste, dann würde das Parlament herrschen, man könne sich an die Abgeordneten wenden und es werde auf das Volk gehört. Die Militärherrschaft lehnen sie zwar ab - der Feldmarschall wurde als "crazy" bezeichnen, sie glauben aber, dass das Militär tatsächlich die Macht dem zivilen Parlament abtreten wird.

Aber ich muss zugeben, dass ich diesen Wahlen nicht traue, dem Militär nicht traue, das hemmungslos Gewalt einsetzt gegen jeden, der Demokratie will, gegen jeden, der die Macht des Militärs einschränken möchte. Ein Teil dieser Gewalt ist der exzssive Einsatz von Tränengas, vor allem einer Sorte, die in Amerika als CR-Gas als zu gefährlich sowohl für zivilen als auch militärischen Einsatz verboten wurde aber dort von Combined Systems Inc., einem Waffenproduzenten aus Jamestown in Pennsylvania, hergestellt wird und jetzt vom Militärregime in Kairo im großen Stil eingekauft wurde und ausgeliefert werden soll - die ersten sieben der bestellten 21 Tonnen wurden von Hafenarbeitern in Abadiya, einem kleinen Hafen in der Nähe von Suez, blokiert, die sich weigerten, zur Vergasung ihrer Landsleute beizutragen. Die Amerikaner haben da ja keine Hemmungen, die ägyptischen Generäle sowieso nicht.
Man stelle sich vor, die Generäle ordern 21 Tonnen Tränengas, nehmen wir an, in einer Granate sind 200 Gramm, dann sind es immer noch 100 000 Granaten. Pardon, wer glaubt da noch daran, dass das Militär auch nur im Traum daran denken würde, irgendwann mal friedlich abzuziehen?

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(Das Bild zeigt eine der Granaten, die Sicherheitskräfte am 28.01.2011 in Tahrir Street benutzten, damals wurden tausende solcher Granaten auf Demonstranten abgefeuert, in den vergangenen Tagen waren es auch jene Granaten mit dem in Amerika verbotenen CR-Gas ...)

Eine zweite Nachricht aus Kairo stimmt nachdenklich: Am Dienstag Abend griffen zivil gekleidete Menschen die Demonstranten auf dem Tahrir Square an. Genau das meinte ich in meinem vorletzten Blogbeitrag "Ich persönlich frage mich ja, wann Tantawi und Co dann die gekauften Schläger auf den Platz schicken, so wie es auch Mubarak und Freunde gemacht haben (nicht vergessen, Tantawi gehörte auch damals schon lange und immer noch zu den führenden Personen des Mubarak-Regimes)"
Es fängt an. Das Ende wird, wenn sich die Menschen nicht wehren, die Diktatur sein, die vielleicht als "Tantawi-System" in die Geschichte eingehen wird, kräftig unterstützt von US-amerikanischen Waffenschmieden (und die Deutschen würden auch liebend gerne ihre Panzer verkaufen, wenn sie könnten, aber zur Zeit braucht man hier eben Gas und Gummigeschosse, die kriegt man in Amerika sehr günstig ...)






Siehe z.B. http://english.ahram.org.eg/NewsContent/1/0/27956/Egypt/0/Suez-port-employees-reveal-ton-US-tear-gas-order-f.aspx
oder http://www.eufrika.org/wordpress/2011/11/agypten-hafenarbeiter-blockieren-tranengas-lieferung-%E2%80%9Emade-in-usa%E2%80%9C/
oder http://www.fr-online.de/politik/aegypten-unruhen-in-kairo-beenden-wahlen,1472596,11240032.html
...

Samstag, 26. November 2011

Immer noch unter der Herrschaft des Militärs ...

begehrt das Volk auf in Kairo während das Leben in Port Said seinen langweiligen Gang weiter geht.
Immerhin gab es gestern eine kleine Demonstration - wir hatten sie erwartet, wir hörten sie näher kommen, es klang nach einer wirklich großen Aktion, aber als sie vorbeizog sahen wir vom Dach aus, dass es gerade mal 150, vielleicht 200 Menschen waren.
Egal, wir gingen hin, um genaueres zu erfahren. Wir sahen eine Mischung aus allen möglichen Teilen der Bevölkerung, viele junge Menschen, wenige konservative Moslems.

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Und das führt zu einer weiteren politischen Betrachtung:
Das Militär wütet seit Monaten schlimmer als das alte Mubarak Regime, massenweise verschwinden Menschen ohne ordentliches Verfahren in Gefängnissen, weil sie dem Militär unlieb sind, etwa, weil sie öffentlich die allgemein bekannten Brutalitäten des Militärs benennen, die Verstrickung der regierenden Generäle in Vorgänge wie Korruption, Folter, Mord oder auch einfach nur, weil sie für bessere Arbeitsbedingungen demonstrieren oder gar so dreist sind, eine menschenwürdige Entlohnung für Arbeit zu fordern (z.B. wagen nach wie vor manche Menschen für einen Mindestlohn von 1200 ägyptische Pfund zu fordern, umgerechnet 200Dollar oder 150 Euro, nach wie vor gibt es Leute, die zu erwähnen wagen, dass in Ägypten immer noch 40% der Menschen weit unter der Grenze für absolute Armut leben, also zu verhungern drohen, ...). Nach wie vor attakiert das Militär christliche Gebäude, Gruppen, Veranstaltungen (unter dem Vorwand, es gäbe keine ordentliche Genehmigung für den Bau wurden Kirchen zerstört, während es in ganz Ägypten wohl kaum Gebäude mit ordentlichen Genehmigungen gibt, ganz sicher müssten, wenn gleiches Maß angewendet würde, tausende von Moscheen zerstört werden, Demonstrationen von Christen werden regelmäßig angegriffen, wenn nicht direkt mit Panzern und von Soldaten in Uniform, dann jedoch immer ohne dass Sicherheitskräfte es verhindern würden, selbst wenn sie direkt daneben stehen, ...), unter der Herrschaft des Militärs finden Gerichtsverhandlungen gegen die Täter der Gewalt, Unterdrückung und gesetzlosen, hemmungslosen Ausbeutung des ägyptischen Volkes gar nicht statt oder, wenn das Volk deutlich macht, dass es sich dieses Aussitzen nicht länger gefallen lässt, unter Ausschluss der Öffentlichkeit, ernstzunehmende Verurteilungen gibt es fast gar nicht, Freisprüche oder lächerliche Ministrofen dafür um so mehr, während die Gegner des Regimes wie gehabt unter albernen Vorwänden, durhc Lügen, durch Betrug oder einfach nur durch unrechtmäßige Pseudoverhandlungen massenweise weggesperrt werden.

Und die Gruppe, die sich erhofft, bei den Wahlen zu gewiinnen (die sich also von einer Mehrheit des Volkes wählen lassen will), die Moslembruderschaft, hält sich bei den Protesten gegen die Militärherrschaft heraus, hat gestern dann sogar in der El Aksar Moschee eigenen Protest angestimmt, einen Protest, der sich gegen Israel richtet, einen Protest, der die Palästinenser unterstützt.
Entschuldigung, habe ich etwas falsch verstanden?
Nein, es ist tatsächlich so, die Moslembruderschaft sieht die für Montag vorgesehenen Wahlen als das Wichtigste, was ansteht in Ägypten, Wahlen, die zwar durchgeführt werden dürfen, die dann auch irgendwann zu einem Parlament führen sollen (im März), die dann gefolgt werden sollen von Präsidentenwahlen, nach Vorstellung des Militärs "nicht früher als Anfang 2013", jetzt wurde dem Militär abgerungen, sich auf July 2012 einzulassen, vermutlich hoffen die Generale, bis dahin genug Gelder verschwinden zu lassen, genug Zeugen mundtot zu machen (oder eben ganz tot), genug Vorbereitungen für einen echten Staatsstreit zu treffen oder im Notfall die Flucht ins Ausland vorzubereiten. Das Parlament hat nach Vorstellungen des Militärs gar keine Befugnisse, der Ministerpräsident genauso wenig, eine zivile Regierung dürfte die Entscheidungen des Militärrates verkünden oder den Rücktritt vom Militär erbitten, falls es mit dessen Verhalten nicht einverstanden ist, wie es vor ein paar Tagen der Fall war.
Und die Moslembruderschaft schweigt dazu - offensichtlich liegen Moslembruderschaft und MIlitär auf einer Linie, es geht nicht um die Rechte der Menschen, es geht nicht um Demokratie, sondern es geht um Macht und darum, sich ein Stück vom Kuchen "Ägypten" abzuschneiden, ganz ohne Rücksicht auf die Menschen dort.
Und dementsprechend handeln die Moslembrüder: sie negieren die Demonstrationen vom Tahrir Square und richten ihre Agitation gegen Israel, nach dem alten Muster, dass äußere Feinde immer am besten von inneren Problemen ablenken und ein äußerer Feind das Volk vereint - die Agitation gegen Israel als den vermeinllichen Gegner soll den Menschen weiß machen, es ginge den Moslembrüdern darum, die wahren Feinde des Volkes zu bekämpfen (die Israelis sind immer gut dafür) und müssten gewählt werden - die tatsächlichen Feinde des Volkes, korrupte Politiker, Generale und eben auch Moslembrüder.

Und noch eine kleine Nebenbemerkung: der faktisch regierende General Tantawi (76jährig, langjähriger enger Mitarbeiter Mubaraks, für 20 Jahre dessen Verteidigungsminister) bestimmte jetzt als eine der wenigen Reaktionen auf die Proteste gegen seine Herrschaft den 78jährigen Kamal al-Gansuri (langjähriger MItarbeiter Mubaraks und für drei Jahre Ministerpräsident unter Mubarak) zum neuen Ministerpräsidenten (wie gehabt mit wenigen Befugnissen, die Regierungsgewalt behält der oberste Militärrat, behält Tantawi). Pardon, bedeuten diese alten Männer und allesamt Vertraute Mubaraks irgend einen Wechsel in der realen Politik in Ägypten? Diese Männer haben das alte System getragen, diese Männer werden einen Teufel tun, eine wirkliche Änderung aktiv voranzutreiben.
Eine Demokratisierung ist offensichtlich nicht mit sondern nur ohne Tantawi möglich.
Schön wäre es, wenn irgendwann einmal ähnliche Einsichten aus den USA und aus Europa zu hören wären, es würde vielleicht anfangs nichts ändern aber es würde den Menschen auf dem Tahrirsquare ein wenig Hoffnung und wenigstens moralische Unterstützung geben, die sie dringend brauchen, sind sie doch die einzigen, die ernsthaft für die Interessen des Volkes eintreten.

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