Jakobsweg – 17.05.2008: Ponferrada => Vega de Valcare

Jakobsweg – 17.05.2008: Ponferrada => Vega de Valcare

Wieder einmal wurde ich früh geweckt, ich selbst hätte ja weiter schlafen können, aber die Gruppe Brasilianer inklusive der netten Frau, die ich so überaus süß fand, machten morgens wieder eine Menge Lärm, schafften es aber wie immer nicht, den Schlafraum zu verlassen. Und heute, ein Jahr später, lese ich, dass ich damals von der überaus Süßen schrieb, und kann mich nicht im geringsten erinnern – ich weiß, dass es diese Gruppe gab, tagsüber ganz nette junge Leute, die ich hin und wieder gesehen hatte, wie man sich eben öfter mal begegnet, unterwegs, und dass genau diese netten Leute abends schon nicht die ruhigsten waren, was mir auffiel aber nicht sonderlich störte, denn sie waren zwar nicht mucksmäuschenstill, aber auch nicht so lärmend, dass sie wirklich gestört hätten – aber morgens waren sie dann doch etwas nervig, so dass ich eben sehr früh aufstehen musste.
früh

Frühstück gab's erst mal keins, nur einen Kaffee aus der Tüte schon in der Herberge, in Ponferrada hatte ich einfach noch keine Lust zu pausieren, nachdem ich die Herberge verlassen hatte.
Nach der Herberge kam ich dann an der Burg vorbei, die ich ja gestern hätte ansehen können, wenn ich ein paar Stunden früher gekommen wäre.
Burg

Außer der Burg gab's noch eine Kathedrale um vorbei zu wandern und einige verschiedene Denkmäler, die allesamt ganz unterschiedliche aber keine Hochwohlgeborenen zeigten, wie das die üblichen Denkmäler in deutschen Landen zum Beispiel ja tun, hier gab's keine Fürsten oder Könige oder Herzöge sondern an der einen Stelle waschende Frauen, an der anderen mal wieder einen Pilger
Pilger?

Im nächsten Dorf gab's dann doch ein Frühstück, ganz gemütlich und fast allein in einer Dorfbar. Im Gegensatz zur Dorfbar war aber der Weg fast schon überlaufen, überall waren Massen von Menschen unterwegs – vor allem in Villafranca del Bierzo, einem Ort, der für den Weg tatsächlich von historischer Bedeutung ist: Dort wurde den Pilgern, die die folgende Etappe über die Berge aufgrund von Alter oder Krankheit nicht schaffen konnten, in einer Kirche der Gnadenablass erteilt. (Seltsamerweise schweigt sich Wikipedia gerade über Villafranca del Bierzo aus, während andere, zumindest für den Jakobsweg weniger bedeutende Orte weit ausführlicher beschrieben werden http://de.wikipedia.org/wiki/Villafranca_del_Bierzo ).
Und natürlich ist dieser Ort auch heute noch sehr wichtig – und neben den Pilgern, die zu Fuß unterwegs sind, auch ein ganz wichtiger Ort für andere Pilger:
Die entsprechenden Busse halten am Ortsrand, Massen von Menschen in funkelnagelneuen Wanderschuhen mit den schicken Nordic-Walkin-Stöcken, die offensichtlich noch keine Pfütze gesehen haben, allesamt mit einem Minirucksack bewaffnet, in dem sich wohl diverse Kleinigkeiten verstauen lassen, die aber in der Regel arg leer aussehen, Massen von professionell ausgestatteten Wanderen eben, strömen aus den Bussen und wandern dann frohgemut in das Dorf herein, wichtig aussehend, um dann überall wo nur möglich hineinzuströmen und Stempel auf dem Pilgerausweis zu sammeln – einen bekommt man beim Café, einen in der Kapelle, einen im Dorfmuseum, in den drei Kirchen des Ortes, sofern sie geöffnet sind, dann auch jeweils einen ... Wenn die Gruppe dann durch das Dorf schwadroniert ist, wartet, bevor man durch langweilige industrielle Vororte wandern müsste, dann wieder der Bus, in dem man zum nächsten bedeutenden Ort gekarrt wird – und wer in so einem Dorf nicht mindestens fünf Stempel ergattert ist sowieso unten durch ... (den Beispielbus habe ich ankommen gesehen, aber zum Photographieren war er zu weit weg, die Gruppe hat mich dann teilweise überholt, weil ich mit meiner Kamera und nach 24 Kilometern doch etwas langsamer bin als diese Musterwanderer, ein viel zu großer Teil der Gruppe lärmte in die kleine Kapelle, in der ich versuchte, ein paar Photos zu machen.
Kapelle

Die Kapelle war uralt und vollgestellt mit Wallfahrtsbedarf – vermutlich zieht das ganze Dorf zu einem bestimmten Anlass durch die Umgebung ausgerüstet mit dem ganzen Jakobsweg in güldenen Figuren. Und wirklich spannend war neben der Kapelle und ihrem Inhalt das Verhalten der Busler: Sie strömten sich laut unterhaltend herein, scharten sich um den Tisch am Eingang, wo man Informationsmaterial erwerben konnte, wo leider aber auch Stempel vergeben wurden, und erst wenn der Stempel im Pilgerpass war, gab es dann ein paar dieser Buspilger, die sich im Innern noch umsahen, viele aber zogen mit ihrem Stempel gleich wieder weiter, das primäre Anliegen war ja erfüllt. Ich hätte gern ein wenig nachgefragt, fand ich die kleine Kapelle doch recht bemerkenswert, einerseits als Stauraum für lauter Heilige, aber andererseits auch aufgrund des fest installierten Schmuckwerks, gerne hätte ich ein wenig über die Geschichte erfahren, gerne noch etwas mehr geschaut, aber ob der Invasion der zutiefst gläubigen Stempler musste ich doch nach draußen flüchten – und rund um meinen Rucksack mit Stock und Hut ließ sich gerade ein anderer Teil der Gruppe photographieren, die ich gewähren ließ, dann wortlos einpackte, tatsächlich genervt aber doch so höflich, nichts zu sagen und wollte gerade von dannen ziehen, als sich eine ca. 50 jährige Dame aus der Gruppe entblödete, mehr als lauthals zu fragen „Sind Sie auch wegen dem HaPe hier?“ Ich entgegnete im eisigsten Ton, der mir möglich war, dass dem glücklicherweise und ganz gewiss nicht so sei, dass ich das Buch nicht einmal gelesen hätte und so bald auch nicht lesen würde und stapfte weiter.
Am Ortsausgang wartete dann auch wieder der Bus und die besonders wackeren Stempler hatten es offensichtlich geschafft, schneller als ich durch den Ort zu kommen, hatten also ihre Stempel beisammen und warteten im Bus sitzend auf die Nachzügler.
Was ich leider am Ortsausgang nicht fand, war der Wegweiser, der den Weg abseits der Straße anzeigen sollte – ich erwischte nur den Weg an der Straße, der aber auch nicht gar zu schlimm war – es war spät, außerhalb des Ortes sah ich nur noch ein paar RadPilger, die an mir vorbei sausten aber keine Wanderer mehr und die Straße zog sich durch das Tal eines kleinen Flusses inmitten eines wunderschönen Waldes – ich wanderte vor mich hin und wurde den Rest des Tages kaum noch gestört.
In Pereije, also ca. 29 oder 30 Km nach Aufbruch, traf ich ein französisches Paar, die ich schon vorher hin und wieder gesehen hatte, sie waren in der Herberge unter gekommen und fragten, ob ich nicht auch bleiben wollte, es sei eine wunderschöne Herberge, aber noch hatte ich keine Lust zu bleiben und wollte noch nach Trabadelo, weitere vier bis fünf Kilometer weiter – nicht zuletzt auch, weil ich den Weg neben dem rauschenden Fluss und der Straße, auf der mehr Radfahrer unterwegs waren als Autos, so schön fand.
Weg

In Trabadelo fand ich die Herberge auch, auch dort nicht allzu viele Menschen und vor allem sehr viele sehr junge Leute – aber leider war die Herbergsmutter nicht da und niemand wusste, wann sie zurück käme – und die Herberge war verschlossen. Also ging ich einfach weiter.
Die Broschüre der Regierung des Bezirks mit dem Herbergsverzeichnis, die ich dabei hatte, versprach mir eine Herberge nach vier weiteren Kilometern – und die würde ich ja locker schaffen, schaffte sie auch ohne Probleme, nachdem ich eine kleine Kaffeepause gemacht hatte. Nur leider war die Herberge geschlossen und würde erst im Juni öffnen. Und bis zur nächsten waren es dann noch 5,7 Kilometer.
Richtig spät war es, als ich ankam, inzwischen tat auch so ziemlich jeder Muskel weh, und viel weiter hätte ich nicht mehr gehen können, ich hatte schon Ausschau gehalten nach Möglichkeiten, draußen zu übernachten, wenn die Herberge hier geschlossen oder überfüllt wäre, denn viel weiter hätte ich nicht gehen können. Aber es gab noch reichlich Platz, nur ging die Herbergsmutter Maria , kurz nachdem ich angekommen war und überließ uns und die Herberge ihrem Schicksal (was ausnahmsweise blöd war, denn kurze Zeit später ging der Strom nicht mehr und niemand wusste, wie die Herbergsmutter zu erreichen wäre).
Später spielte ich noch Herbergsvater, als zwei Spätpilger kamen, ein offensichtlich ganz heftig frisch verliebtes junges Paar, die wichtigeres zu tun hatten, als jeden Morgen los zu rennen und blind bis zum nächsten Etappenziel zu sausen um da rechtzeitig anzukommen. Die paar Leute, die in der Herberge noch wach waren, wussten nicht, was nun zu tun wäre, war doch keine Herbergsmutter da, also übernahm ich spontan den Job, erklärte ihnen die Situation, gab ihnen ihre Stempel und erläuterte, dass die Übernachtung zwar fünf Euro pro Person koste, dass ich aber vergessen hätte, sie ins Buch einzutragen, und dass es nun ihnen anheim gestellt sei, das Versäumnis am nächsten Morgen mit der echten Herbersmutter zu klären, wenn sie darauf bestünden, den üblichen Beitrag zu zahlen (und ich glaube, die beiden waren ganz froh darum, hier noch unterzukommen und nicht bezahlen zu müssen). Richtig süß kochten sie sich dann noch zusammen eine Mahlzeit auf ihrem Kocher, den sie mit sich schleppten, süß, weil sie ständig umeinander waren, kaum von sich lassen konnten und perfekt miteinander arbeiteten – doch, die beiden waren schon klasse.
Tenor der Gespräche hier und auch bei den letzten zwei, drei Pausen war der morgige Bergaufstieg gewesen: wenn man der Etappeneinteilung folgte, die die meisten Führer vor gaben, wären insgesamt 900 Höhenmeter von Villafranca bis zum O Cebreiro zu klettern gewesen – da wir etwas weiter waren, blieben nur ca. 700 Höhenmeter übrig, es wurde von 13 Kilometern Steigung gesprochen. Viele Leute überließen es Taxis und anderen Transportern, das Gepäck nach O Cebreiro zu bringen, um die grausame Steigung ohne Gepäck zu schaffen und ich machte mir kurzfristig Gedanken, hatte ich doch die Gelegenheit verpasst, genau diesen Transport auch für mein Gepäck mit Maria zu organisieren – aber dann schlief ich doch gut und tief in der Hoffnung, auch diese Hürde am nächsten Tag nehmen zu können.


Strecke: ca. 43 Kilometer, ca. 62 000 Schritte
Wetter: aufgelockerte Bewölkung, trocken, angenehm warm
allgemeine Befindlichkeit: gut (ok, erschöpft am Abend aber richtig wohlgemut).

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