Jakobsweg - 12.05.2008: Leon

Und noch ein Tag mehr in Leon – ich hätte zwar genausogut auch weiter gehen können mit meinen 20 Euro, aber das Problem in den kleinen Ortschaften am Rand wäre gewesen, dass es dort einfach nicht die Möglichkeit gegeben hätte, eine Postanweisung zu empfangen. Und immerhin war schon Pfingstmontag, bis Dienstag müsste ich noch ausharren und dann käme die rettende Anweisung aus Deutschland.
Mein Zimmer in der Pension musste ich verlassen, die war ausgebucht für diese Nacht, aber ich könnte in der Herberge schlafen, wo ein freiwilliger Obolus erbeten wurde, aber kein Entgelt. Nur konnte ich da erst nachmittags hin, wie die meisten Herbergen war die geschlossen um gereinigt zu werden. Aber es war kein großes Problem, die Zeit vom Auschecken bis zum Einchecken zu überbrücken, galt es doch einfach, ein Frühstück zu bekommen – wieder in der selben Bar wie gestern auch, günstig und sättigend, der dortige arme Ritter, und dann gab es den großen Platz vor der Kathedrale, den ich mittlerweile ja schon so gut kannte.
Immerhin war ich noch einmal in der Kathedale, diesmal mit etwas mehr Ruhe und etwas besserem Licht.
Leon Kathedrale

Lange sprach ich mit Klaus, dem ehemaligen Banker aus Frankfurt, der mir dann auch erklärte, warum meine Karte nicht mehr funktionierte. Und ich traf San wieder, die mich zu einem Kaffee einlud. Ganz dumm lief eine Begegnung mit einer Gruppe, aus der ich zwei Leute flüchtig kannte, einen sympathischen jungen Spanier und eine deutsche Frau, die sich irgendwo auf dem Weg zum Paar gefunden hatten, die ich beide unterwegs schon gesehen hatte. Und sie wollten dann mit einer größeren Gruppe essen gehen – was natürlich genial für mich wäre, wenn ich einfach mitkäme und die Rechnung dann per Karte bezahlte, während ich von allen das Bargeld bekäme.
Dumm gelaufen, weil inzwischen auch meine Kreditkarte nicht mehr wollte – statt 200 € in die Tasche zu bekommen, waren auch meine letzten 20,- € weg, übrig blieb tatsächlich nur noch genug für ein, vielleicht zwei Kaffee (und dafür dann ein mittelmäßiges, relativ teures Essen mit einer Gruppe, in der es leider nur zwei, drei Leute gab, mit denen ich etwas anfangen konnte, aber deren Mehrheit ich ziemlich schrecklich fand).
OK, das Essen war weg, der Rucksack in der Herberge, ich erforschte die Nebengassen und fand ein paar sehenswerte Kleinigkeiten.
Fenster

Zwischendurch war ich noch einmal bei der Post um detailliert herauszubekommen, wie der Geldtransfer aus Deutschland funktionierte. Dort gab es dann nicht nur den Recken mit dem güldenen Zeh, den ich gestern photographiert hatte, sondern auch endlich mal wieder etwas Graffiti – wie so oft in den Bezirken ein wenig abseits des Zentrums.
Graffiti in Leon

Den Rest des Tages wanderte ich durch die Stadt und überlegte, was ich wohl am Abend essen wollte – entweder ich triebe etwas Geld auf, oder ich würde fasten, ungewollt fasten. Sehr passend dazu fand ich dann immer wieder Details in der Stadt, besonders skuril z.B. diese Kellerklappe:
Dracula

Meine finanzielle Lage entspannte sich, als mir Pauls anbot, mir 20 € zu leihen, er würde auch noch bis Morgen auf seine Freundin warten müssen und erst am Mittwoch weiter wandern, wie ich es auch müsste. Entspannt gab es also doch eine Kleinigkeit zu Essen für den Abend .- soweit ich mich erinnere, ein Brot, etwas Käse und ein paar Äpfel, ein echtes Festmahl also.

Früh ging es dann ins Bett, wieder in einer Herberge, an die ich mich allerdings kaum mehr erinnere (und von der ich dann auch gar nichts aufgeschrieben hatte). Die Herberge gehörte zu einem Orden, ich weiß nicht mehr genau, welchem, und es gab jeden Abend einen Gottesdienst in der Kapelle des Klosters, in dessen Mauern auch die Herberge lag. Ausnahmsweise wollte ich einfach mal bei einer dieser Andachten, wie sie überall auf dem Weg veranstaltet wurden, teilzunehmen – war aber dann doch entsetzt ob einer Nonne, die vor Beginn der Andacht eine halbe Stunde lang den Leuten (auf Spanisch zwar, aber ein ganz klein wenig verstehe ich ja doch) erklärte, wie sie sich cerhalten zu hätten, dass Sie still zu sein hätten, dass sie aber dann besonders laut zu singen hätten um Gott zu zeigen dass wir gute Christen seien usw. usw. Das Ganze erinnerte mich dann leider doch zu sehr an Kasernen oder ähnliche Situationen, wo es nicht auf das ankommt, was man selbst denkt oder fühlt, sondern auf das, was man tun soll oder muss – und nein, ich muss ganz sicher nicht lauthals irgendwelche katholischen Lieder singen, um irgendeinem Gott irgend etwas zu zeigen – wenn es diesen Gott wirklich gäbe, und er hätte diese Schleimerei meinerseits nötig um sich gut zu fühlen, dann wäre dieser Gott eher ein armes Würstchen als etwas in meinen Augen anbetungswürdiges. Nein, gäbe es einen Gott, dann wäre der allmächtig genug, auch ohne falsche Inbrunst und auf Befehl geheuchelte Gläubigkeit zu erkennen, ob es sich bei mir um ein verdammungswürdiges Etwas handele oder nicht. Ich verließ die Veranstaltung dann durch den Eingang, durch den wir auch herein geleitet worden waren, um mich vor verschlossenen Toren wiederzufinden, inmitten einer Gruppe von heftig angeheiterten Belgiern, die heute in Leon angekommen waren, um nach einem feuchtfröhlichen Abend morgen früh die Pilgerfahrt Richtung Santiago zu beginnen, mit dem festen Vorsatz auch auf dem Weg die Abende ähnlich zu verbringen. Es war zwar ganz witzig, mit diesen Leuten, die schon sehr lustig waren, draußen vor der Tür zu stehen, aber die Regeln des Klosters bestimmten ja eigentlich, dass nach 21.30 niemand mehr hinein gelassen würde. Und die Aussicht, hier noch länger warten zu müssen, war nicht die berauchendeste. Aber nach einiger Zeit erbarmte sich jemand unserer und öffnete die Tür, brav verschwanden wir allesamt in unseren Schlafsäcken und wurden nur noch einmal in unserer Ruhe gestört, als die Andachtsteilnehmer den Weg in die Schlafsäle fanden.
Samuel B. - 25. Mai, 21:03

dazu sag ich mal nix

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