Mittwoch, 1. Februar 2012

Nachtrag zu 73 Toten beim Fußballspiel in Port Said

Wenn ich darüber nachdenke, wie diese grausamen Ausschreitungen beim Fußballspiel hier in Port Said ausgeschlachtet werden werden, dann kann ich mir ein paar Reaktionen vorstellen:

Tantawi wird kopfschüttelnd im Fernsehen auftreten und väterlich verkünden, dass das ägyptische Volk ja offensichtlich nicht reif ist für ein Leben ohne die ordnende Macht des Militärs und wird wieder den Notstand ausrufen. Als Sofortmaßnahme werden dann gleich mal wieder alle die ins Gefängnis gebracht, die letzte Woche freigelassen wurden, denn die Gewalt gab es schließlich erst, nachdem diese Aktivisten für die Demokratie und Freiheit - also aus Sicht der Generale gefährliche Subjekte, die sie gerne als Schläger titulieren - freigelassen wurden.

Irgend ein anderer General wird im Brustton der Überzeugen verkünden, dass ausländische Elemente Schuld waren, vielleicht wird wieder einmal zur Jagd auf Ausländer aufgerufen, ich werden Augen und Ohren offen halten.

Viele Menschen, die weniger informiert sind, werden sagen: "Das wäre ohne die Revolution nicht passiert, unter Mubarak waren wir sicher"

Die Islambrüder werden dem Militär Beifall klatschen, das weiter Jagd auf alle politischen Aktivisten macht, die für Freiheit und Demokratie eintreten, mit dem Vorwand, die wahren Schuldigen an den Morden im Stadium in solchen zu verfolgen, die ja gesetzlos seien, Schläger usw. usw.

Die Bildzeitung wird als erste Interviews mit den Blutpfützen im Stadium führen und wird über die Kulturlosigkeiten im wilden Afrika schwadronieren.

Nur wenige, etwas informiertere Leute werden sachte versuchen darauf hinzuweisen, dass in Ägypten zur Zeit ein Sicherheitsvakuum existiert: Die Polizei ist kaum noch präsent und wird nicht ernst genommen, nachdem das System Mubarak die Polizei zu Schlägern desfunktionierte, die nur die Aufgabe hatten, auf alles einzuprügeln, das wagte, anders auszusehen, anders zu sprechen, eine eigene Meinung zu haben usw.. Die Polizei war berühmt für die Bestechlichkeit und für die Brutalität gegen politische Gegner, nicht aber für eine hohe Aufklärungsquote von Verbrechen oder für eine erfogreiche Regelung von irgend etwas. In der Revolution war die Polizei die erste Mubarak-Bastion, die fiel, geopfert wurde. Polizisten wurden, in Privatkleidung gesteckt, als Schläger gegen die Revolution in den Kampf geschickt, Polizisten öffneten die Gefängnisse und hetzten die Gefangenen in die Städte um die Unsicherheit zu schüren usw.
Seit der Revolution hat der herrschende Militärrat nichts getan, die Verbrechen aufzuklären (schuldig wären unter anderem auch wieder die regierenden Generale als wichtige Teile des alten Systems gewesen oder ihre guten Freunde), der Militärrat schürt das Gefühl der Unsicherheit noch zusätzlich, da das Militär als Folge dieses Unsicherheitsgefühls eher als Ordnungsmacht akzeptiert wird.
Ganz und gar nicht in die Pläne der regierenden Militärs passt der Aufbau eines auf Gesetzen basierenden Polizeisystems, das von den Menschen akzeptiert würde und die Macht erhielte, wirklich Ordnungsaufgaben des Zivilstaats zu erfüllen - wenn die Polizei funktioniert, dann ist das Militär im Innern nicht mehr nötig, wenn der Rechtsapparat basierend auf einer Verfassung, auf Gesetzen, auf einer genügend machtvollen Polizei und eines unabhängigen und starkten Rechtssystems gäbe, müssten Tatuni und all die anderen Gesellen fürchten, selbst vor Gericht zu stehen, selbst im Gefängnis zu enden. Das will kein regierender General.


Direkt Schuld sind die Generale wahrscheinlich nicht, ich kann mir kaum vorstellen, dass es deren Idee war, Leute loszuschicken, die Randale im Stadium machen, das geht dann doch über die Denkleistung eines durchschnittlichen Generals hinaus. Aber dass die Gewalt in Ägypten eine direkte und notwendige Folge aus der Politik des Mubaraksystems und dem Handeln der jetzt in der Nachfolge des verbrecherischen Systems regierenden Generale ist, ist kaum zu bezweifeln.


Nur wird kaum jemand auf die Stimmen hören, die diese Wahrheit aussprechen.

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