Und tatsächlich gab's morgens dann den Höllenlärm, wie erwartet: die Schwingtüren, die sowieso schon laut waren, selbst wenn man vorsichtig war, waren seit frühen frühen Stunden zu hören, der Gipfel war dann aber ein alter ekliger Mann, der hemmungslos die Türen mit voller Lautstärke auf riss und pendeln ließ – für den Gang auf's Klo allein alle fünf nebeneinander liegenden Kloabteiltüren nacheinander, um sich dann endlich für eins der Abteile zu entscheiden – es gibt einfach fiese Idioten. ...
Also bin ich fix von dannen gezogen, hatte mich am Ortsausgang für den etwas längeren Weg am Kloster vorbei entschieden und sauste flugs aus dem ansonsten noch schlafenden Triacestela heraus in die galizischen Wälder.
Der Weg führte (teilweise direkt an einer Nebenstraße) einem kleinen Fluss folgend durch Berge und Hügel, die teilweise recht schroff waren. Wirklich interessant fand ich dann auch immer wieder die kleinen Rinnsale, die direkt aus dem Stein kamen, manchmal auch als kleine Wasserfälle.
Sobald der Weg die Landstraße verließ, führte er in der Regel durch die für Galizien typischen, von Steinmauern gesäumten Hohlwege, die in Jahrhunderten gewachsen sind in dieser uralten Kulturlandschaft. Ich persönlich liebe solche Wege, solche Gegenden ja unendlich – und ich glaube, ich bin nicht der einzige.
Highlight des Tages war ein Kloster Samos, das in jedem Reiseführer als ganz besonders, romantisch, ungewöhnlich und auf jeden Fall sehenswert angepriesen wird, das irgendwo in der Mitte meiner Tagesetappe versteckt lag und das ich auch hatte sehen wollen, weswegen ich die drei oder vier Kilometer zusätzlich in Kauf nahm. Und irgendwann tauchte es dann auch endlich auf:
Das gute Kloster selbst ist zwar schon uralt, aber wurde durch ein Feuer 1951 fast völlig zerstört und danach wieder neu aufgebaut, so dass von der originalen Baumasse und den alten Fresken kaum etwas übrig ist – und die neuen Fresken sind einfach grausam, aber lustig ist es, von einem Mönch herumgeführt zu werden, der munter einer Schar von fremdländischen Touristen, die allesamt des Spanischen unkundig sind, erzählt und erzählt, aber kaum verstanden wird ...
- beim nächsten mal werde ich wohl eindringlicher versuchen, wenigstens ein wenig Spanisch zu lernen ...
Und auch, wenn ich von den Ausführungen des Mönchs nicht so viel verstand, gab es doch ein paar interessante Einblicke und ein paar „Aha! Ach so!“, da der gute Mann es doch verstand, seine Ausführungen mancherorts auf Sprache für Volldeppen zu reduzieren und uns ein paar Brocken Allgemeinverständlichem hinzuwerfen, wie den Namen eines Papstes, der irgendwo gemalt war oder auch eine Bibelstelle, die in der lateinischen Benennung allgemein verständlich ist. Und sowieso ist so etwas völlig ungewohntes, wie das Leben in einem Kloster an sich schon spannend genug, so dass es auch ohne den Mönch immer zu verstehen, der ja an sich schon sehr lustig war, sympathisch und ein wenig schrullig, ein nettes Erlebnis war.
Ganz besonders schön war von Samos aus der alte Weg in Richtung Sarria, der am Fluss entlang führte, mal auf der einen, mal auf der anderen Seite, mal direkt am Wasser, mal ein Stück weiter oben am Abhang – schön war dieses Stück und schlecht beschildert, so dass ich lange Zeit der einzige war, der dort unterwegs war, bis ich eben auf jenen guten Mann stieß, der ganz allein nicht auf dem Weg unterwegs war, sondern mitten im Fluss:
(ausnahmsweise gibt’s hier mal ein etwas älteres Photo)
Auch wenn es am Weg keine großen Städte gab, gab es doch eine Menge von hinterlassener Kultur zu sehen – vor allem eben viel vergessene Dorfarchitektur, die meine romantische Ader anspricht -
Genauso spannend finde ich ja immer auch die Begräbnisplätze, und ich kam an einigen Friedhöfen vorbei, wo ich immer wieder versuchte, zu photographieren:
Irgendwann kam ich dann nach Sarria, ganz sicher nicht als der erste – wie immer hatte ich mir viel Zeit gelassen, ging zwar wie immer relativ zügig (unterwegs überholte ich immer viele Leute, wenn ich einfach nur ging, wurde aber um so mehr überholt, wenn ich photographierte und mitunter auch mal Minuten lang wartete um ein bestimmtes Bild hinzukriegen oder lange um Häuser herumstrich, um ein Bild zu machen, mit dem ich zufrieden war ... Dass ich nicht der erste war, merkte ich in der öffentlichen Herberge, die von der Stadt betrieben wird, dadurch, dass das Duschwasser inzwischen wieder kalt war, zu viele hatten vor mir geduscht.
Abends schrieb ich mir dann auf, dass ich inzwischen immer mehr Sehnsucht nach gutem Essen hatte – vor allem Gemüse fehlte, da die Pilgermenüs oder das Essen aus der Tüte, die man den ganzen Tag mit sich herumschleppte, nicht gerade reich an frischem Gemüse war, Obst konnte man dann immerhin fast überall kaufen und Äpfel hatte ich sowieso fast immer ein, zwei Stück im Gepäck.
Auch etwas besonderes – oder zumindest damals notierenswertes – war es, dass ich mich ausgiebig rasiert hatte (ok, das machte ich mindestens jeden dritten Tag, auf dass ich nicht zu waldschratig aussah) und wohl auch Haare gezupft hatte, die garstigen Dinger, die aus Nase und Ohren wachsen, wenn man sich ihrer nicht annimmt und so blöd aussehen ...). Schon spannend, was ich damals aufschrieb, aber Gelegenheit für solche doch sehr privaten Sachen gab es selten, denn man war unterwegs oder aber in Herbergen, die gerade mal in der Toilette privat waren.
Strecke: 21 bis 22 km
Wetter: sonnig, trocken, warm
allgemeine Befindlichkeit: gut