Wegzeiten

Freitag, 15. Mai 2009

Jakobsweg – 15.05.2008: Hospital Orbigo => Rabanal del Camino

Vom gestrigen Tag habe ich eine Kleinigkeit aufzuschreiben vergessen: Die Gruppe von Brasilianern – und auch wenn ich HaPe Kerkeling nie gelesen habe, hat sich auch zu mir rumgesprochen, dass der angeblich von vielen Brasilianerinnen erzählt hatte, die kaum anderes im Kopf hätten als die Frage, wer mit wem. Auch in der Herberge in Hospital Orbigo hatte ich es mit einer Gruppe von Brasilianern zu tun, von denen mir allerdings weder irgendwelche wie auch immer gearteten sexuellen Betätigungen aufgefallen wären noch sonstige Besonderheiten im Gehirn verblieben wären, das einzige, was ich noch erinnere, ist die Tatsache, dass gerade diese brasilianische Gruppe sehr früh aktiv wurde und – wie bei Gruppen üblich – kaum Rücksicht zeigte und ratzfatz jeden aufweckte, zumindest aber mich, der ich eine recht schlaflose Nacht hinter mir hatte, hatte doch ausnahmsweise das Schnarchen im Bett nebenan arg gestört (der gute Mann schnarchte so unregelmäßig, dass man sich wirklich nur schwer daran gewöhnen konnte).
Das Frühstück fiel kurz aus, es gab die Reste aus der Tüte, die ich am vergangenen Tag schon herumgeschleppt hatte, Kaffee aus der Instant-Packung, alles im noch sehr kühlen Freien des Herbergsgartens und auf die Schnelle, vor allem auch um den sich allmählich formierenden Gruppen zu entgehen.
Schon im nächsten Dorf nutzte ich die Gelegenheit, die sich durch eine gerade öffnende Bar ergab, für ein zweites Frühstück – und das nach nur ca. 2 Kilometern – nicht zuletzt auch in der Hoffnung, dem Regenguss zu entgehen, der sich am wild bewölkten Himmel ankündigte.
Ganz ohne Regen ging es dann aber doch nicht – es war nicht gar so schrecklich, wie es geschienen hatte, ich kam ohne den Regenumhang aus, aber es nieselte doch beständig und war nicht wirklich begeisternd schön – aber die Pflanzen im Wald sahen doch ganz hübsch aus so grün und beregnet ...
spanisches Moos

Irgendwo versteckt im Wald gab es denn auch wieder eine typische der-Weg-feiert-sich-selbst-Stelle, wo Unbekannte (zumindest habe ich keine Ahnung, wer das war und zur Zeit auch keinen Internetanschluss, über den ich die Möglichkeit hätte, ein wenig zu forschen, den Upload organisiert B. für mich, der die Texte auf dem Stick mitnimmt, um sie dann für mich hochzuladen), wo also Leute, über die ich zur Zeit nichts sagen kann, ein paar Pilgerwegskunstwerke der eher naiven Art aufgestellt haben. Um diese Kunstwerke, vermutlich an einer Stelle hinterlassen, die irgendeine geschichtliche Bedeutung für den Weg hat, vielleicht stand dort mal ein Kloster, wahrscheinlicher eine Herberge, noch wahrscheinlicher ein alter Wegweiser und noch wahrscheinlicher etwas noch weniger Bedeutsames, aber egal, wessen an dieser Stelle gedacht wird, sie wird von einer Unzahl von Pilgern genutzt, ihre Wegmarken zu hinterlassen – vom verschwitzten, zerrissenen T-shirt, das kurzerhand beschriftet wurde, über verschlissene Turnschuhe bis hin zur abgebrochenen Fahrradpedale findet sich ein wildes Samelsurium von Hinterlassenschaften, meist mit Namen und Datum versehen, oft mit ein paar klugen Sprüchen, immer wieder mit frommen Wünschen für andere, sehr oft mit ganz eigennützigen, nicht weniger verständlichen Wünschen wie „möge die Krankheit von mir genommen werden“.
Aber was lästere ich hier vor mich hin – ist doch dieser Text hier nichts anderes als eine etwas länger formulierte Hinterlassenschaft – und dummerweise nicht einmal auf dem Weg selbst hinterlassen, sondern online und um ein Jahr versetzt ...
Das Bild dazu:
Wieder mal ein Pilger


Einige Stunden und ein paar Kilometer später gab es einen kleinen Aufstieg auf eine kleine, etwas höher gelegene Ebene und an deren Ende einen kleinen Turm, der vielleicht einmal eine Antenne getragen hatte, vielleicht auch nur als Aussichtsturm gedacht war, vielleicht einem völlig anderen Sinn diente, den ich mir nicht vorstellen kann, auf jeden Fall hatte der Turm eine Leiter und eine kleine Plattform oben drauf, wo man einmal stehen und in die Ferne blicken könnte – was lag also näher, als genau das zu tun. So dachte ich, legte also den Rucksack ab und war in Nullkommanichts oben auf dem Turm, wohl ein wenig belächelt von diesem und jenem, vielleicht sogar mit Kopfschütteln bedacht von den Mitgliedern der lautstark vorbeiziehenden Gruppe deutschländer Wanderer, von denen nicht einer stehen blieb, von denen auch kein einer ein Wort nach oben sandte, nicht einmal der traditionelle Pilgergruß „buon Camino“ wurde erwidert, schön, dass ich diese Leute tatsächlich nicht kannte, vorher nicht gesehen hatte und auch später nicht wieder sehen würde. Die Brasilianer zumindest grüßten hoch, fragten nach der Aussicht und zogen gleichfalls vorbei. Und die Aussicht war auch nicht wirklich berückend schön – aber doch besser als von unten und einfach interessant – zumindest für mich, wer weiß, vielleicht bin ich ja wirklich ein klein wenig anders.
Turm

Nach dem kleinen Abstecher in die Höhe, dauerte es nicht mehr lange bis nach Astorga, wo ich bei den Ausgrabungen römischer Keramik auf heftigen Regen und auf dem Marktplatz dann noch auf Thomas und Sylvia stieß, die ich am zweiten Tag – in der kleinen Herberge von Zubiri kennen gelernt hatte, die dann von Pamplona ins Schwabenland zurückgekehrt waren, um dann in Leon mit frisch geheilten ehemals heftigst entzündeten Nagelbetten erneut loszuwandern. Mit beiden trank ich gemütlich einen Kaffee (und das erste mal auf dem Weg schon zur Mittagszeit ein Bier), besichtigte dann den alten Bischoffspalast (ich habe den Namen des Architekten vergessen, aber hübsche Sachen hat er gemacht, wenn auch nicht ganz mein Stil, könnte es etwas mit Caudillo gewesen sein?), ließ die gerade geschlossene Kathedrale rechts liegen und ging einfach weiter, es war zwar schon 13.40 (das habe ich mir damals aufgeschrieben, interessant, warum wohl?) aber ich beschloss, nicht in Astorga zu bleiben, sondern noch ein paar Kilometer weiter zu wandern, jetzt wieder ziemlich allein auf der Strecke, wie üblich waren nach dem Mittagessen kaum noch Pilger auf dem Weg zu sehen. Um so spannender war dann aber das Gewitter, das sich im Tal rechts vom Weg entlud – und das sehr plötzlich gekommen war, geradezu beängstigend schnell und vor dem ich über eine weite Strecke keine Zufluchtsmöglichkeit gehabt hätte, hätte es plötzlich die Richtung geändert und wäre den Hang hinauf gekrochen, auf dessen Flanke ich unterwegs war. Mit argem Herzklopfen beobachtete ich das Gewitter, versuchte gleichzeitig, es zu photographieren, was natürlich unmöglich war, überlegte, mich notfalls im Straßengraben klein zu machen, weit genug von meinem Gepäck entfernt, wie die Fachleute für so einen Fall raten und war mir nur nicht sicher, ob es notwendig wäre, sich von der Kamera zu trennen und sie beim Rucksack zu lassen oder ob es nicht möglich sei, zumindest dieses gute Stück am Körper zu behalten. Glücklicherweise kam es nicht näher, ich geriet zwar in einige kräftige Regengüsse, auch Hagel war dabei, aber blieb doch von der Hauptmasse des Gewitters verschont.
„In El Gauso dann noch die Meckerziege aus der Herberge (von Hospital Orgibo) sitzend mit einem Glas Bier vor der nächsten Herberge“ schrieb ich damals – und ganz genau erinnere ich mich, dass sie, wie scheinbar bei den meisten Deutschländern auf dem Weg so üblich, übertrieben laut zu ihrem Trinkkumpan sprach. „Wo ist der denn abgestürzt“ fragte sie in einem recht miesen Ton, wohl in der Meinung, ich könne sie nicht hören. Zu mir gewandt und (noch lauter, aber in weniger beleidigendem Ton) fragte sie, warum ich so spät erst ankomme, worauf ich nur entgegnete, dass es doch sehr interessant auf dem Weg sei, dass es einiges zu sehen gegeben habe und dass ich Zeit hätte und wanderte gemütlich weiter, was sie dann ganz offensichtlich nicht begriff (es war sicher schon 15.30 Uhr) – aber selbst wenn ich keine Lust gehabt hätte, weiter zu gehen, in dieser Herberge wäre ich dann ganz sicher nicht geblieben, wenn ich dort einer solchen Person ausgeliefert wäre, aber ich hatte Lust, weiter zu gehen und fühlte mich durchaus in der Lage, noch einige Stunden zu wandern.
Hysterisch fragte sie mich, ob ich wirklich weiter wolle. „Klar, das Gewitter ist doch vorbei“ entgegnete ich. „Bis zur nächsten Herberge sind es aber noch 10 km – und ich habe gehört, dass da alles voll ist ...“ versuchte sie mich zu überzeugen. „'Ich habe gehört' habe ich hier schon oft gehört, und nie hat es gestimmt, tut mir ja Leid, und 10 Kilometer noch? Na und, ich habe doch reichlich Zeit,“ meinte ich und war auch schon weiter gewandert, und blieb ein paar Türen weiter stehen – zum Photographieren natürlich, nicht um einzukehren.
Tür
Vermutlich schwadronierte sie noch den ganzen Nachmittag über diesen Unbelehrbaren, der bestimmt kein Quartier fände – aber es waren tatsächlich nicht zehn Kilometer, sondern gerade mal sechs, ich machte auf dem Weg noch viele viele Photos und fand dann eine Herberge, die fast leer war, in der eine ganz tolle Stimmung herrschte und in der ich die Brasilianer wieder traf – und wieder waren sie laut, wenn auch ganz ohne erotische Intermezzi. Ganz und gar nicht vermisste ich das Gemähre der Meckerziege oder ihrer deutschländischen Genossen ...
Und wie gesagt, ich hatte reichlich photographiert, unter anderem auch einen neuen Kirchentyp, wie er nun häufiger anzutreffen war:
Dracula

Strecke: über 30 Km
Wetter: überwiegend bedeckt, ca. 15 Grad, bei Regen kälter. Viel Regen, Gewitter.
Allgemeine Befindlichkeit: nach zu wenig Schlaf vielleicht ein wenig empfindlich was zu lautes und zu arrogantes Verhalten anging, ansonsten sehr gut, auch wenn die Knie immer noch weh taten, mich aber in der Beweglichkeit nicht einschränkten.

Sonntag, 10. Mai 2009

Jakobsweg - 10.05.2008: Leon

Mit gepacktem Rucksack auf dem Rücken, den Schlüssel der Pension schon abgegeben, zog ich los zu frühstücken und dann mit dem Zug nach Sahagún zurück zu fahren. Da ich fast kein Geld mehr hatte, beschloss ich, gleich genug Bares für die nächsten Tage zu ziehen, wusste ich ja nicht, wo ich landen würde und ob es dort Geldautomaten gäbe (die waren nicht soo häufig in den kleinen Dörfern, wie man erwarten würde). Und siehe da, die Karte funktionierte nicht, der Automat konnte sie nicht lesen, was er mir fröhlich pfeifend mitteilte. "Blöde Maschine, dann eben nicht, gibt noch andere," dachte ich, versuchte es bei seinen Freunden und Kollegen in der ganzen Stadt und erkannte bald, dass die Karte kaputt war.
Automatensuche
(während der Automatensuche war ich ja noch in der Lage, einfach so vor mich hin zu photographieren).

Später lernte ich einen Bankmenschen kennen, der selbst solche Automaten aufgestellt und gewartet hatte, und der erzählte mir, dass die, wenn sie nicht ganz ganz genau skaliert sind, auf dem Magnetsreifen der Karte Chaos machen, indem sie den Teil, der eigentlich als reiner Leseteil gedacht ist, der also nicht beschrieben werden soll, weil er die Grundinformationen enthält, beschreiben und damit die Informationen löschen oder zumindest unlesbar machen. So stand ich also da, hatte noch fünf, sechs Euro, Hunger, ...
Es gab dann doch ein Frühstück (das billigste, das ich auftreiben konnte, ein Kaffee mit einem Stück einer seltsamen Mischform zwischen Brötchen, Kuchen und Schwamm). blieben, soweit ich mich erinnere, 4 Euro übrig, und Morgen wäre Pfingsten und ich Idiot hatte eine Kreditkarte ohne Geheimnummer, konnte sie also nicht benutzen um an Bargeld zu kommen.
Ich überlegte, dass es in Banken vielleicht möglich wäre, mit viel Überzeugungskraft, Kreditkarte, Personalausweis und dem Onlinezugang zu meinem deutschen Konto, das ja reichlich gedeckt war, vielleicht irgendwie an Bares zu kommen, nur waren die Banken am heiligen Pfingstsamstag geschlossen.

Flugs zur Herberge gesaust, dort gäbe es vielleicht jemanden, der mir eine Möglichkeit zeigen könnte, mit der Kreditkarte oder wie auch immer an Bares zu kommen. Dort waren gerade ein paar Kids mit einem Stand, wo sie Brot und Kram verkauften, um für eine Gruppenreise nach Australien Geld zu sammeln - irgendwas Katholisches war wohl letztes Jahr in Australien, wo sie hin wollten.
Und der Hostelero bat sie, mir weiter zu helfen und die beiden riefen flugs Mama und Papa an (der eine Papa ist Banker) und wir liefen da und dorthin in der Stadt, ohne jemanden anzutreffen oder ohne dass die Leute uns helfen konnten - nicht einmal große Hotels waren in der Lage, Geld von der Karte abzubuchen und es dann bar wieder auszuzahlen.
Auf jeden Fall war es total süß, wie die beiden versuchten, dem armen Pilger zu helfen, auch wenn es nichts brachte.
Helferlein

Na gut, bei der Post erfuhr ich immerhin, dass es dort möglich ist, per Western Union Geld anzuweisen, das bar bei einem Postamt irgendwo in der Welt eingezahlt wird - und zwar immerhin von Minuten - nur leider war Pfingstsamstag, alle Leute, die das für mich machen könnten, im Pfingswochenende und auf die Schnelle nicht mehr zu erreichen, also bliebe mir nichts übrig, entweder in Istanbul jemanden mit Bargeld und Montagszeit aufzutreiben oder bis Dienstag auf die Leute in Deutschland zu warten - und die Öffnung der deutschen Postämter - und bis dahin müsste ich die Zeit eben irgendwie überbrücken und mit Kreditkarte bezahlen (das ging in meiner Pension, also hatte ich immerhin ein Zimmer).
Bei der Post fand ich immerhin jenen hier, mit dem güldenen Fußdaumen:
Helferlein
Ich weiß nicht mehr, ob ich versuchte, ihn anzugrabbeln, aber immerhin photographierte ich ihn, vielleicht brächte das ja auch Glück oder Bares oder beides ;-)

Ansonsten lungerte ich den ganzen Tag nur herum, sprach hier und dort mit ein paar Leuten, die ich vom Weg her kannte, traf Paul, den Belgier, der auch einfach nur wartete (seine Freundin würde in ein paar Tagen ankommen, vielleicht morgen, vielleicht übermorgen, der genaue Termin war irgendwie unklar), und schließlich auch Helmut und eine Frau (an die ich mich gerade nicht erinnern kann), als ich beschloss, einfach richtig Essen zu gehen, denn das könnte ich ja mit der Kreditkarte bezahlen, während ich mir billige Kleinigkeiten, die ich ja bar hätte bezahlen müssen, nicht leisten konnte. Und da hatte ich die geniale Idee, für die beiden mitzuzahlen, so dass ich deren Rechnung per Karte zahlte und von den beiden Bargeld bekam - und schwuppdiwupp hatte ich gegessen und 20,- € in bar ;-).

Der Tag ging dann mit Lungern, Leitungswasser und Internetcafe zu Ende - ja, prima, online hatte ich Zugriff auf meine Konten, auf denen damals auch noch genug Geld war, mehr als ich in ein paar Wochen (normalen Urlaubs) in Leon hätte ausgeben können, nur leider hatte ich gerade keine Möglichkeit, dieses Kontogeld in mein Portemonaie zu bekommen, völlig absurd, vor allem wenn ich Luxus wie das Aufladen des Handys locker per Internet gestalten konnte, wo ich auch tausende von Euros von einem Konto auf das andere hätte transferieren können, während ich mir ernsthaft überlegte, ob das Internetcafe nict als vermeidbarer Luxus zu streichen gewesen wäre ...

Wanderstrecke 0 km, durch die Stadt irren eine Menge Kilometerlangen
Wetter: unbeständig, um 15 °C, öfter mal Regen, immer wieder auch mal regenfreie Zeiten
Allgemeine Befindlichkeit: zunehmendes Hineindriften in eine der Situation geschuldete Verzweifelung (was etwas zu heftig klingt, aber depressiven Charakter hatte das schon irgendwie)

Samstag, 9. Mai 2009

Jakobsweg - 09.05.2008: Moratinos => Sahagún => Leon (mit dem Zug)

Jakobsweg - 09.05.2008: Moratinos => Sahagún => Leon (mit dem Zug)

Nach reichlich genug Bier am Abend vorher recht lang geschlafen aber immer noch vor Sabine und Heinz - die dann doch wach waren, als ich von der Morgentoillette zurück kam. Hurtiges Packen, Frühstück und weiter wandern - die anderen ließen sich Zeit, wollten nicht gar zu weit gehen, während ich ja partout eine Kamera einkaufen musste - ohne Kamera fühlte ich mich wirklich nicht richtig wohl.
Ich kam ohne mich heute an die Strecke erinnern zu können, bis nach Sahagún, traf dort Cecile und den jungen Franzosen, dessen Namen ich locker vergessen habe, trank mit ihnen einen Kaffee, suchte die ganze Stadt nach Photogeschäften ab und fand wieder nur Ritschratschklickmaschinen und beschloss, mit dem Zug um 14.00 Uhr nach Leon zu fahren.

Der Plan war, in Leon, das ja nicht ganz so klein ist, einzukaufen, am selben Abend oder am nächsten Tag mit dem Zug zurück zu kommen um dann wieder von Sahagún aus weiter zu wandern, einer kleinen netten Stadt, in der es schon ein paar lohnende Motive gegeben hätte, wie z.B. die alte Iglesia de San Tirso aus dem 12. Jahrhundert und wirklich richtig schick anzuschauen (bei Flickr. z.B. findet man viele Photos aus Sahagún, z.B. auch diese Kirche http://www.flickr.com/photos/7865999@N08/2239510645/ , in Sahagún gibt es Reste eines alten Klosters http://www.flickr.com/photos/7865999@N08/1270178156/ und einen ganz berühmten Bogen mit Straße darunter hindurch - der Bogen ist der Rest eines weiteren Klosters http://www.flickr.com/photos/7865999@N08/1242864014/ ).

Das war der Plan.
Also fuhr ich nach Leon, fand tatsächlich (nachdem ich mir eben noch mal ein wenig Bargeld für die nächsten paar Tage geholt hatte) nach einigen Besuchen in verschiedenen Photoläden im Zentrum, die allesamt spezialisiert waren auf simpelste Ritschratschklicks, mit denen ich mich einfach nicht anfreunden konnte, dann tatsächlich ein Einkaufszentrum, das eine passende Kamera im Angebot hatte, aber dafür ein Schweinegeld wollte, das ich dann auch bezahlte, weil das Limit der Kreditkarte pro Aktion nicht ausreichte teilten wir den Preis, ich zahlte einen Teil mit der Kreditkarte und wollte den anderen Teil mit der Checkkarte zahlen, mit der ich ja eben gerade noch Bargeld geholt hatte - die Karte funktionierte in dem Laden nicht, ich dachte mir nichts dabei, gab dem guten Mann eben das Bargeld, das ich eben geholt hatte.
Glücklich zog ich von dannen und testete das neu erworbene Schätzchen gleich aus:
neue Kamera, allererstes Photo

Nun hatte ich also eine neue Kamera, eine alte, die Morgen per Post nach Santiago ginge und den Plan, morgen mit dem Zug wieder nach Sahagún zu fahren, den Nachmittag dort zu verbringen und dann wieder weiter zu wandern.
Mit der neuen Kamera in Händen und einem Pensionszimmer für eine Nacht zog ich los, um Leon zu erforschen, was nicht ganz so erquicklich war, wie es ohne den Regen gewesen wäre, der immer wieder strömte.
Regen
Natürlich gab es in Leon einiges an historischer Architektur, auch das eine oder andere Museum, aber es war spät geworden und als Pilger hatte ich mich daran gewöhnt, nicht viel länger als Sonnenuntergang wach zu sein, ich verzog mich also mit meiner Kamera, die ich gemütlich erforschte und einem Buch in meinem Zimmer und schlief den Schlaf des erfolgreichen Einkäufers.

Strecke: gewandert ca. 9, Zug ca. 53
Wetter: Morgens warm und sonnig, abends bewölkt und regnerisch.
Allgemeines Befinden: Knien und Schienbeinen ging es besser, mit neuer Kamera wieder zufrieden und wohlgemut.

Donnerstag, 7. Mai 2009

Jakobsweg - 07.05.2008: Fromista => Carrión de los Condes

In der Herberge war ich wie immer recht früh aufgewacht, war aber wacker im Bett geblieben, weil ich auf das Frühstück warten wollte, das erst zu einer bestimmten Zeit beginnen würde (ich weiß jetzt nicht mehr, wie spät). Dort ließ ich mir dann wieder besonders viel Zeit - in mein Heft hatte ich dann abends geschrieben, dass es wohl offensichtlich Leute gab, die ich nicht mochte und diese erst von dannen ziehen lassen wollte, heute kann ich mich an besonders Vorfälle nicht erinnern, aber was meine Reaktionen auf Unsympathlinge angeht, kann ich mir das sehr gut vorstellen, sobald mir jemand als unsympathisch auffällt (und das waren auf dem Weg dann doch einige, und der Weg gab mir nicht die Ruhe oder Demut, da irgendwann anders zu reagieren), versuche ich, möglichst weit weg zu sein, auch wenn das heißt, dass ich eine viertel Stunde länger frühstücke, nur um der Person nicht auf dem Weg zu begegnen.
Irgendwann war ich dann aber doch unterwegs und fand am Ortsausgang genau die Baustelle, die die beiden Neuseeländer vorhergesagt hatten - ein gigantischer Straßenneubau, LKW allüberall, Raupen, Bagger, Staub, Bauzäune, Baugruben, Schlammlöcher, Fußwege, die geradewegs in tiefe Löcher führten, Wegweiser, die in den Untergrund gewalzt waren, in das Erdinnere wiesen oder in andere sinnentleerte Fernen ...
Tatsächlich gab es keine Schilder, keine gelben Pfeile und keinen wie auch immer zu ahnenden Fußweg durch das Baustellenchaos, geschweige denn eine Unterführung, die die Etappenbeschreibung aus meinem klugen Buch versprochen hatte. Ich ahnte die ungefähre Richtung, in die es gehen müsste, Westen eben, die Sonne müsste mir im Rücken stehen und der Weg müsste senkrecht zur Schnellstraße, an der hier offensichtlich gebaut wurde, weiter führen - und von einer Halde aus konnte ich dann auch in einiger Entfernung einen Weg sehen, der Feldwegartig in die ferne führte, aber zuvor galt es, das Gewirr aus Pisten, Löchern, aufgerissener Erde, Halden, tiefer Gräben usw. zu überqueren, wo dann teilweise auch aktuelle Bauarbeiten geschahen, Baustellen-LKW vorbei donnerten, Raupen hin und her schoben und man sich im Gewirr verlieren konnte. Auf dem Weg, den ich für vielversprechend hielt, kam mir eine einzelne Gestalt gefolgt von einer Gruppe entgegen, bedeutete mir, dass der von mir eingeschlagene Weg nicht der richtige sei und schwenkte zur Seite ab - brav folgte ich (über wirklich übel zerstörte Oberflächen, dann über die Trasse der zukünftigen Schnellstraße, ab einer riesigen Halde vorbei nur um wieder eine neue Trasse überqueren zu müssen, wozu wir vorher durch einen Graben mussten, der alledings voller Wasser war - nach einigem Suchen fand sich dann doch eine Stelle, wo der Graben zu überwinden war und zwischendurch waren wir uns so nahe gekommen, dass ein Gespräch möglich war: auf dem anderen Weg sei ein Weiterkommen nicht möglich gewesen, das hätten sie ausprobiert, sagte sie mir, es müsse hier entlang gehen. Ich erwiederte, dass ich ihr dann brav folgen würde, wie sich das ja für ein Schaf gehöre, seien wir doch alle Schafe, die den gelben Pfeilen folgten und sie müsse mir nun meine gelben Pfeile ersetzen, nachdem sie den anderen Weg schon ausprobiert habe und der nicht nach Santiago führe. Sie entgegnete, sie sei aber vielleicht der Wolf und ich laufe Gefahr, gefressen zu werden, wenn ich ihr folge. Nun gut, dann sei dem eben so, das Leben sei gefährlich und ich müsse mich diesem wohl oder übel ausliefern, hätte ich doch keine Lust, mich hier zu verirren und erwecke sie den Eindruck, einen Fehler schon gemacht und daraus gelernt zu haben, den ich vermeiden könne, wenn ich darauf vertraue, dass sie mich nicht belüge, ...
Nun gut, ich kam nicht in die Sackgasse, aus der sie zurückgekehrt war, und wir fanden dann mehr oder weniger gemeinsam einen Ausweg aus dem Chaos, vielleicht nicht den besten Weg, vielleicht auch nicht die offizielle Version, aber irgendwann kamen wir doch auf den von weitem erahnten Weg und fanden auch die ersten echten Wegweiser
Wegweiser
(das Photo ist am Vortag entstanden, ein sehr sehr ähnliches habe ich aber wirklich an jenem Morgen an genau jenem Weg gemacht, nur war auf dem Stein ein mit Klebeband zusammengehaltener Wanderschuh und der Stein an sich etwas neuer).
Mit dem Wolf (Cecile) zusammen zog ich armes Schaf dann weiter, wir wanderten einfach gemeinsam, unterhielten uns lange Zeit, schwiegen auch mal, sie wartete immer wieder, wenn ich photographierte, ich wartete, als sie mal ins Gebüsch verschwand, es war ein Weg ohne besondere Höhepunkte. Er folgte den größten Teil der Strecke einer Straße (die zwar nicht zu stark befahren war, aber auf der trotzdem immer wieder Autos lautstark und viel zu schnell vorbei donnerten), und es gab nur wenig Abwechslung - da war es sehr angenehm, nicht allein zu wandern, sondern nette Gesellschaft zu haben.
Viel gab es nicht zu photographieren (auf meiner Festplatte habe ich ein paar Blümchen gefunden, langweilige Landschaft, wieder mal eine Kirche, einen völlig misslungenen Raben, dessen Flug ich versuchte einzufangen, noch eine Kirche), und noch weniger Photos, die sich anzuschauen lohnen.
Highlight

Die relativ kurze Etappe beendeten wir in Carrión de los Condes nach nur 19 Kilometern, denn von dort aus wären bis zum nächsten Dorf 16 Kilometer ohne Einkehrmöglichkeit zu wandern, bis zur nächsten Herberge wäre es wesentlich weiter, so dass eine Gesamtstrecke von über 40 Km zurückzulegen wäre - und dazu hatte ich dann ganz und gar keine Lust.
Wir fanden ein Quartier im Kloster, wo uns der Unteroffizier - von mir so benannt wegen seines zackigen Stils, in Wirklichkeit wohl Novize oder gar nur ziviler Angestellter, uns unsere Schlafplätze anwies und wir uns fühlten, als müssten wir salutieren (und diesmal waren ausnahmsweise am Abend alle Betten belegt - aber es gab noch mehrere andere Herbergen und dort angeblich auch freie Betten).
In der Herberge trafen wir San, die sich vorstellte mit "Hi I'm San from South Africa and I'm white", nachdem sie wohl immer wieder Verwunderung geerntet hatte als weiße Südafrikanerin (zudem auch noch nett), .... Cecile und San kannten sich schon und freuten sich, sich zu sehen, gleichzeitig hatten wir alle vom Unteroffizier seltsame Einweg-Bettbezüge bekommen, mit denen wir jetzt hantierten, ich mit dem Bett beschäftigt, San eher damit, aus Cecile eine Braut zu machen und den entsprechenden Hochzeitsmarsch anzustimmen - lustig war's und gehörte photographiert.
Braut

Es war lustig, aber es war nicht übertrieben laut, normale Zimmerlautstärke eben und 14.20 Uhr, eine Zeit also, wo man vielleicht auf kleine Kinder Rücksicht nehmen muss, die ihren Mittagsschlaf brauchen, wenn sie im selben Zimmer schlafen müssen, aber ganz sicher keine Zeit, wo man in einer Herberge am Jakobsweg absolute Nachtruhe halten muss.
Aber nein, eine ziemlich eklige Ziege (an alle vierbeinigen Ziegen schon mal eine Entschuldigung, dass ich euch mit diesem Wesen gleich setze, aber mir fehlt es einfach an Wörtern), natürlich deutschsprachig, wie sich später herausstellte, fing an, die beiden anzukeifen - ich denke mal, sie war lauter als unser Lachen und Sans Gesang. Aber die arme Ziege, die vermutlich schon um 4 Uhr hatte aufstehen müssen, weil man sonst ja die anderen nicht nerven kann, wollte eben ihren Mittagsschlaf halten, und da störte jedes kleine menschliche Geräusch.
Nun, sie schrie und heulte vor sich hin und entsetzt gingen wir hinaus, liehen uns die Wäscheschüssel aus und machten es uns gemütlich, zwar heftig verärgert über diese Ziege, die nicht in der Lage war, in normalen Tonfall um Ruhe zu bitten, was jeder verstanden hätte, sondern eben gleich den guten deutschen Kasernenbrüllaffenton herauskehrte oder den der Latrine vielleicht. Bestärkt wurden wir dann noch von einer Frau, die auch im Zimmer gewesen war, die wir gar nicht wahrgenommen hatten: sie kam hinaus und schloss sich unserem Entsetzen an - und unserer fröhlichen Fußbaderunde :-)
Bad

(und von der Latrinenbrüllerin würden wir noch hören, tief in der Nacht, nach 22.00, weit nach der offiziellen Ruhezeit von 21.30 Uhr an, als sie mit ihren Kumpanen angeschickert aus der Bar kam und, genauso wie die drei anderen, natürlich heftig taschenbelampt herumwerkelte, lärmte, mit kaum gesenkter Lautstärke, weit lauter als Flüstern sich mit den Kumpanen unterhielt. Später in der Nacht wachte ich nicht vom Schnarchen der Kanadierin auf, die im Bett unter Cecile schlief, sondern davon, dass wieder genau jene Deutschländerin jammerte ob des Schnarchens, wieder nicht flüsternd sondern durchaus stimmhaft und das mehrmals. Schließlich war sie es wieder, die zusammen mit ihrem Mitpack wiederrum lärmend und taschenlampend lange vor dem Hellwerden aufstand und mindestens 10 Minuten lärmte und leuchtete, ehe die Gruppe den Schlafraum verließ, uns in Ruhe schlafen und die Kanadierin in Ruhe schnarchen ließ - und ja, das Schnarchen war nicht toll, aber mich störte es sicher viel weniger als die lauthalse Aufregung darüber, die es nicht änderte und die bewusst formuliert wurde also hätte verhindert werden können.
Hätte ich diese Person noch einmal gesehen, ich bin mir sicher, ich hätte sie an ihr Verhalten erinnert und ich bin mir sicher, ich wäre nicht nett und höflich gewesen, aber gleichzeitig weiß ich auch, dass ich gar nicht so tief in die verbale Kläranlage hätte greifen können, um diesem Stück selbstgerechter "christlicher Pilgerheiliger" gerecht zu werden - und nein, es mögen vielleicht alle, die den Weg gehen, Pilger genannt werden, aber zu guten Menschen macht der Weg solche Gestalten ganz sicher nicht, sie bleiben in ihrer kleinkarierten dünnen Haut die schlechten Menschen, die sie auch vorher waren, vielleicht in den eigenen Augen zwar gute Christen, wahrscheinlich sogar, wenn ich meinen Vorurteilen glaube, aber mehr auch nicht.

Na, egal. Das Fußbad und das gemeinsame Reden und Entsetzen taten gut, wir trennten uns, ich ging in die Stadt, um vielleicht irgendwo meine Photos gespeichert zu bekommen, weil der Platz auf dem Chip immer weniger wurde. Das Internetcafe war geschlossen und der örtliche Photograph völlig ahnungslos: er hatte noch nie eine so große Speicherkarte gesehen, schaffte es dann aber doch innerhalb einer halben Stunde die ersten hundert von 1500 Bildern zu finden und auf meine kleine Festplatte zu kopieren, die er ehrfurchtvoll betrachtet hatte, nachdem er realisierte, dass das kleine Kästchen wirklich eine Festplatte war (ich gebe zu, ich war genauso erstaunt gewesen, als ich damals eine scheckkartengroße, 9 mm dicke Festplatte gefunden hatte, die 120 Gigabite speichern konnte ;-). Ich musste also irgendwo anders einen Computer finden, an dem ich meine Photos übertragen könnte, hier war ich offensichtlich fehl am Platz.
Ich schaute mich noch im Dorf um und machte an unserem Kloster das allerletzte Photo mit meiner guten alten 20 D, die danach irgendwie einen Schaden hatte: sobald sie Strom bekam, zuckte der Verschluss lauthals vor sich hin, egal, was man machte, sie hatte mindestens einen heftigen Hirnschlag bekommen, wenn nicht mehr (und ich probierte alles aus, ausschalten, irgendwelche Knöpfe beim Start drücken, schimpfen und fluchen, streicheln, Batterie herausnehmen, unangeschaltet die Batterie wieder hineinschieben, angeschaltet die Batterie wieder hereinschieben, beim Batterie hineinschieben irgendwelche Knöpfe drücken, die Minibatterie hinaus basteln, die zuständig ist dafür, dass die Kamera weiß, dass sie eine Kamera ist und wie spät es ist, egal was ich tat, die gute konnte nicht mehr denken und ich war verzweifelt.
Und hier ist es, das allerletzte Bild meiner 20 D, ehe ich sie dann Monate später daheim in Istanbul wieder reparieren ließ (was "nur" 120 Euro kostete, wenn ich mich richtig erinnere):
Henkersbild

Natürlich sauste ich sofort zurück zu dem Photoladen, um zu schauen, was der wohl im Verkauf hätte, dass er mir anders nicht helfen könnte, war mir reichlich klar. Der Laden hatte zwar schon geschlossen, hätte mir aber höchstens eine Ritschratschklick anbieten können, die vielleicht in den Händen eines guten Photographen gute Photos produzieren könnte, mit der ich aber nichts hätte anfangen können.
Also hoffte ich auf den nächsten Tag und die nächste Etappe, Sahagún, ein etwas größeres Städtchen, wo es vielleicht einen besser ausgestatteten Photoladen gäbe.
Es gab dann noch mal ein Abendessen aus der Tüte und die oben schon beschriebene Nacht mit ihren Störungen.

Strecke: sage und schreibe 19 Km, flach, immer an der Straße entlang.
Wetter: Warm, windig, gegen Abend immer stärker bewölkt, Gewitter.
Allgemeines Befinden: Schienbeine schmerzten noch, Knie kaum, Kamerakaputtfrust

Mittwoch, 6. Mai 2009

Jakobsweg - 06.05.2008: Hontanas => Fromista

Wecken war um fünf Uhr angesagt, nicht, weil ich es so gewollt hätte, sondern weil es die beiden Frauen aus der Ukraine oder Moldawien oder sonst woher so wollten, die ihre Wecker auf 5 gestellt hatten und dann ewig im Schlafsaal herum werkelten, fluchten, mit Kopflampen leuchteten, hinaus und wieder hinein gingen, stolperten, fluchten, sich unterhielten, zwar flüsternd, aber im Streit dann doch nicht so richtig leise, werkelten, fieseste Plastiktüten ein und auspackten, ...
Fünf Minuten hörte ich mir das an, ertrug es nicht weiter, entschied, dass alle wach wären, die jetzt eventuell noch schliefen, wenn ich die beiden wutentbrannt anbrüllte (und ja, das war ich), packte mein zeug (ohne Lampe natürlich) innerhalb von ein paar Sekunden, ließ mich aus dem Bett gleiten (ok, einer hat es gehört, das habe ich später erfahren) und ging hinaus, wie üblich. Draußen gemütliches Anziehen, Morgentoilette, Packen, ... - weil es noch zu dunkel für mein Gefühl war, ließ ich mir viel viel Zeit, rauchte noch eine Zigarette, setzte mich noch mal ruhig hin, erlebte den Aufbruch einer größeren Gruppe, Spanier glaube ich, 8 Leute oder so, die in den kleinen Schlafrümen geschlafen hatten und zusammen gehörten, die also mit ihrem Gelärm sonst niemanden aus dem Schlaf rissen (aber wie das aussah, wenn sie in einem großen Saal schliefen, wollte ich mir lieber nicht vorstellen).
Da ich nichts zu essen mehr hatte und auch nichts kochen konnte, blieb das Frühstück in der Bar - das war auch sehr schnell fertig (soweit ich mich erinnere, gab's einen Kaffee, immerhin frisch gemacht, das übliche Weißbrot von gestern Abend in großen Mengen aufgebacken und Marmelade) und dann war einfach nichts mehr zu machen, ich ging hinaus in die Dunkelheit.
früh

(na gut, ich muss ja eingestehen, dass es auf dem Photo dann doch schlimmer aussieht, als es wirklich war - aber wäre ich am Vortag nicht wacker durch die große Stadt gestromert, ich hätte den Weg im Dunkeln vielleicht wirklich nicht gefunden, da die Pfeile nicht so gut zu sehen waren und die Straßenbeleuchtung nicht gerade die beste. Aber auch wenn ich es schon verrückt fand, dass die beiden Damen z.B. regelmäßig schon im Stockdustern starteten, andere Leute sich jeden Morgen verliefen (es wurde von einem Mann gemunkelt, dass er das wirklich jeden Morgen täte, aber es trotzdem nicht ließe und immerhin genug Selbstironie besäße, Witze darüber zu machen), auch wenn ich selbst mir nicht vorstellen konnte, wie die Spanier mit um den Kopf geschnallten Lampen zu gehen, um sich den Weg über Stock und Stein mehr zu ertasten als ihn zu sehen, war es doch auch ein schönes Erlebnis, den Sonnenaufgang draußen zu erleben, ganz allein, nicht mal mehr in Sichtweite des Dorfes, das schnell hinter einem Hügel verschwunden war, ohne irgendwo menschliche Beleuchtung zu sehen (auch die Taschenlampenläufer waren lange vor mir weg und nicht mehr zu sehen, vielleicht waren ja die eine und der andere auf dem Weg in den Straßengraben gefallen und harrte nun mit gebrochenem Bein auf Rettung - um Einzelheiten im Straßengraben zu erkennen, war es allerdings noch viel viel zu dunkel).

Die Landschaft hatte sich stark verändert mit dem Abstieg nach Hontanas hinein - es war nicht mehr die steinige, karste Hochebene (so hatte ich die Gegend hinter Burgos gefühlt), sondern wieder eine sehr flache, gewellte, sehr fruchtbare Landwirtschaftslandschaft, die im prallen Grün erstrahlte, sobald es für das Strahlen genug Licht gab.
Landschaft

Und inmitten dieser Landschaft, in der man prima Filme phantasieren konnte, mit Reitern und Recken und Prinzessinnen und so Sachen, fanden sich dann auch die Überreste eines uralten Klosters, das sich vor ewigen Zeiten mal - bestimmt um beim Passieren kräftig Geld zu kassieren - in einem Ausläufer als Brücke über die Straße geschwungen hatte, und genau dieser Teil des alten Gemäuers steht auch heute noch dort, Ehrfucht gebietend, vielleicht auch Furcht verbreitend, wenn man zur falschen Zeit mit zu schwachen Nerven und dem Glauben an Gespenster vorbei kommt, aber sicher eindrucksvoll.
Brückenkloster

Das nächste größere Dorf war Castrojeriz, ein richtiges Dorf mit einer weiteren dicken fetten Ruine am Dorfrand und Läden und Bars und Menschen und bestimmt auch einer Schule und Bauern und Handwerkern und allem drum und dran (Herbergen gab's dort auch, eigentlich wäre es der nettere Ausgangspunkt für die heutige Etappe gewesen, aber die 30 km gestern hatten mir gereicht, acht Kilometer mehr wären viel geworden - und heute würden es 33 werden, mit dem Nachteil aber, dass es ewig lange Strecken zu laufen gäbe ohne Rastmöglichkeiten - die zwei Dörfer vor dem Etappenziel waren entsprechend weit voneinander entfernt und versprachen in etwa die gleiche Größe wie Hontanas - also sicher eine Bar, vielleicht auch Herbergen, was aber nicht sicher war und eventuell mal einen Laden, wenn ich etwas Glück hätte (auf das ich mich nicht verließ und dementsprechend in Castrojeriz Vorräte für diesen und den nächsten Tag einkaufte, die müsste ich dann zwar tragen, aber so war ich sicher, etwas zu essen zu haben). Ein lustiger alter Mann managte den Laden, nicht gerade sauseflitzig schnell, bedächtig holte er ein Brot aus dem Regal, kam nur langsam tapsend bis zur Wurst um mir die gewünschte zu geben, aber egal was, er machte alles irgendwie richtig nett, schade, dass mir das Spanisch fehlte, um mich wirklich unterhalten zu können. Als ich dann draußen war, hörte ich ein Rufen - na gut, es wird öfter gerufen und gerade in Istanbul habe ich gelernt, ungefragten Lärm einfach zu ignorieren, aber nach einigen Schritten habe ich dann doch begriffen, dass mit dem "Pelegrino, Pelegrino" ich gemeint war, "Pilger, Pilger" und dass der gute alte Mann meinen geliebten Stock schwenkte, den ich Depp einfach vergessen hatte.
Insgesamt war's ein viel netteres Städtchen als das verschlafene Hontanas und die 8 km gestern hätten sich doch noch gelohnt, vor allem, weil ich gar nicht so müde gewesen war ...
Castrojeriz
In der kleinen Stadt gab's dann auch noch eine dritte Kirche (an der zweiten führt der Weg zwar direkt vorbei, die war aber abgeschlossen), die dritte also ist auch direkt im Zentrum, wirklich nur wenige Meter ab vom Weg, und ausnahmsweise ging ich dann doch hin, schaute hinein, sah die Baustelle und Leute bei der Arbeit und fragte trotzdem dreist nach, ob ich hinein schauen dürfe - irgendwie zumindest verständigten wir uns, ich weiß nicht mehr, in welcher Sprache, und ich durfte hinein, ganz angetan von der Atmosphäre die geprägt war eben von den Arbeiten mit dicken fetten Maschinen, viel Dreck einerseits und Haarpinsel und winzigen Farbtöpfchen andererseits sowie vom etwas heruntergekommenen allgemeinen Aussehen außerhalb des aktuellen Arbeitsbereiches. Richtig interessant fand ich die Kreuzwegsbilder, die in der Kirche verteilt hingen, teilweise leider auch fehlten, teilweise sehr schief hingen - bei Gelegenheit muss ich mal nachsehen, ob die Photos, die ich damals gemacht habe, zu gebrauchen sind.

Genug Castrojerez, der Weg führte weiter durch die Hochebene und zog sich dahin, ohne besondere erinnerungswürdige Erlebnisse kam ich bis nach Boadilla del Camino, wo es auch gleich am Ortseingang eine nette Herberge gibt, ich war zwar nicht mehr früh, aber noch waren vier oder fünf Betten frei und am Eingang lungerten ein paar nette Leute herum - doch wirklich richtig gut gefiel es mir dort nicht, vielleicht, weil ich noch eine halbe Stunde hätte warten müssen, bis der Hostelero gekommen wäre, um mich offiziell einzutragen, vielleicht, weil ich einfach so im Wandertran war, dass ich gar nicht aufhören wollte, vielleicht weil die Musik vom nahen Grillplatz zu laut war, ich zog einfach weiter, stieß am Ortsausgang auf einen Kanal, der schnurgerade nach Fromista führte und an dem sich der Weg dann orientierte - mindestens 3 km ging es ohne Kurve dahin, rechts der Kanal, eine Böschung hoch zum Weg, eine Pappelreihe, teilweise links wieder eine Baumreihe, Böschung und Landwirtschaft. Und weder vor noch hinter mir war für einige Zeit irgend ein Mensch zu sehen, 3 km Weg, die ganz allein mir gehörten (oft genug hatte ich vor und hinter mir niemanden gesehen, was aber oft genug daran lag, dass die Sichtweite nur ein paar Meter betrug, im Wald z.B., in den Hügeln, ... aber hier war ich dann wirklich ganz allein, wie gesagt, es war spät, ich hatte schon 30 km hinter mir, die meisten Pilger saßen geduscht und vollgefressen in irgendwelchen Bars herum oder ruhten sich aus ...). Ich war zwar nicht mehr sonderlich fit, müde, um ehrlich zu sein, auch schon arg erschöpft, aber ich genoss es unendlich, hier ganz alleine zu wandern und irgendwie nichts zu denken und darin auch nicht gestört zu werden.
KanalJakobsweg-08-05-06-5992.jpg
Nach einiger Zeit wurde die Stille durch zwei Kleinbusse unterbrochen, die mir entgegenkamen, nicht weit hinter mir stehen blieben und eine Horde Jugendlicher entließ, die dann auch wacker hinter mir her kam. Sie waren etwas schneller als ich, holten mich ein, plapperten viel allein oder miteinander, guckten mich in der Regel zwar an aber gingen meistens in möglichst großer Entfernung auf dem nicht gar so breiten Weg an mir vorbei , teilweise warteten sie sogar auf die Betreuer und wagten dann eng um diese geschart das Überholen. Nur einer begrüßte mich auf Englisch, konnte aber dann leider nicht weiter, als ich reagierte und - auch in Englisch - nachfragte. Aber immerhin wagte dann einige doch ein "Hola" oder "Buenos Dios". Insgesamt eine irgendwie sehr spannende Begegnung war diese Gruppe von geistig behinderten Jugendlichen, die, wie mir eine der Betreuerinnen dann erklärte, auch den Jakobsweg wanderten, allerdings immer nur kurze Stücke, heute z.B. diesen Abschnitt bis nach Fromastera, 3 km, vielleicht 3,5, um dann in einem Heim in einiger Entfernung zu übernachten und morgen einen anderen Abschnitt zu gehen, jeden Tag nur ein kleines Stück von der jeweils im Bus zurückgelegten Strecke. Bevor der Weg dann auf einer Brücke über den Kanal ging, warteten auch wieder die Busse auf die Gruppe, die sich lautstark dort versammelte, als ich sie wieder einholte. An der Schleuse, die mit der dazugehörigen Brücke eben auch die Möglichkeit bot, auf die andere Kanalseite zu gelangen, begegneten mir dann auch zwei später Fahrradpilger, ein Paar aus Neuseeland, wie sich später herausstellte, wir unterhielten uns nur ganz kurz, ich sollte für sie ein Photo mit ihnen machen, wie sie ihre Fahrräder über die Brücke, eher einen schmalen Steg, wuchteten und sie sausten dann weiter, um Unterkunft und Ruhe zu finden, während ich mich auf die Suche nach der Herberge begab. Und hier geschah es das erste Mal, dass ich den Weg so weit verlor, dass ich mich bis zur Herberge durchfragen musste, weil ich einfach keine Markierung mehr fand.
Steg

Abends traf ich die beiden Neuseeländer dann wieder, Tom und ichweißnichtmehr, sie waren sehr nett, wir unterhielten uns den ganzan abend beim Kaffee, dann beim Bier und später beim Abendessen miteinander, er hatte etwas Ähnlichkeit mit meinem ehemaligen Chef in der Türkei, W., der ja auch eine Fastglatze sein eigen nennt und eine natürlich offene Ausstrahlung hat. Allerdings waren die beiden doch sehr auf Autos als Thema fixiert, das immer wieder auftauchte - lustig war unsere Überlegung, dass all diese Massen von LKW, die wir sahen wohl für eine größere Baustelle sprachen - Überlegungen, die die beiden professionell anstellten, waren sie doch im Transport- und Bauwesen tätig gewesen vor einiger Zeit.


Zurückgelegte Strecke: 33 km
Wetter: Heiß, trocken
Allgemeine Befindlichkeit: gut, den Knien ging's wesentlich besser, die Schienbeine (Knochenhautentzündung wohl) schmerzten teilweise schon arg.

Dienstag, 5. Mai 2009

Jakobsweg - 05.05.2008: Burgos => Hontanas

Weil ich im Notfall (wenn die Herberge im Etappenziel Hontanas voll wäre), bis zu 40 km gehen müsste, brach ich relativ früh auf. (Woher die allgemeine Panik kam, dass keine Schlafplätze zu finden wären, weiß ich nicht mehr, aber sie war da, war neben der Körperlichkeit das Hautpthema - in unseren Gesprächen ging es, sobald sich zwei Pilger kennen lernten, um bestimmte Themen: Warum gehst du den Jakobsweg? Welche Blessuren hat dein Körper schon? Wo wirst du heute Nacht übernachten? ...). Im Gegensatz zu der Mehrheit der Pilger, die der Meinung waren, man müsse nun besonders früh aufbrechen, besonders schnell gehen um dann auch ganz früh in den entsprechenden Herbergen zu sein, weil die sonst ausgebucht wären, hatte ich mir, wie schon auf der Etappe nach Agés überlegt, dass es immer Möglichkeiten gibt: wären die Herbergen wider Erwarten ausgebucht könnte ich weiter wandern - und wäre dann auch alles belegt, gäbe es Pensionen, wo man fragen könnte, notfalls auch die Leute im Dorfladen oder den Pfarrer, vermutlich würde sich jemand freuen, das Gästebett gegen einen kleinen Obolus zur Verfügung stellen zu können. Und wenn das nicht möglich wäre, es auch keine Scheune mit Heu oder Stroh gäbe, dann eben Bus ins nächste größere Dorf - und wenn es keinen Bus gäbe, würde sich jemand finden lassen, der führe, da war ich mir sicher - aber ganz fest ging ich erst einmal davon aus, dass die Betten in den Herbergen ausreichen würden, wie gesagt, notfalls eben nicht die erste sondern erst die zweite, und dann wäre es egal, ob ich in der Nacht losrennen würde oder erst nach hell werden, die Zahl der Betten würde dadurch nicht steigen, die Zahl der Pilger nicht sinken ...
Ok, ein wenig war ich vielleicht auch von der Furcht beeinflusst, dass es schwieriger werden könnte, ein Qartier zu finden, aber ich würde es nicht übertreiben - tatsächlich stand ich früh auf, hatte ein kurzes Frühstück und war schon um 6.51 auf dem Weg nach draußen, schaffte es aber doch, endlich die Treppe zu photographieren, die in unserer altehrwürdigen Pension nach oben führte, wie ich es mir die ganze Zeit, die ich hier verbracht hatte, vorgenommen hatte:
Treppe

Wie schon einige male zuvor wanderte ich ganz gemütlich alleine aus einer Stadt heraus, bevor die so richtig wach wurde. Der Weg führt dann auch meistens über kleine Straßen, vermeidet die Hauptverkehrslinien, so dass man früh morgens mit der grausamen Realität des Berufsverkehrs zum Schichtwechsel in der Fabrik nicht konfrontiert wird, sondern beschaulich durch alte Gässchen wandern kann, um die Stille des Morgens zu genießen.
Gässchen

Spannend fand ich ja auch das Denkmal für Cervantes mitten in einer recht neuen Siedlung - es stand einfach da und ich hatte keine Ahnung, warum gerade dort, konnte mich aber nicht aufraffen, den kleinen Schlenker dorthin zu machen in der Hoffnung, vielleicht ein Schild zu sehen, mit dem das ganze erklärt würde - ist aber auch nicht unbedingt nötig, man erkennt ja - spätestens nach Picasso - wer das ist.
Don Quichote

Außerhalb der Stadt kam ich dann an einer riesigen Herberge vorbei, die sehr schön im Park eines alten Klosters gelegen war, in richtig alten Gebäuden, eine echte, urururalte Herberge, in der man aber auch wieder nur eine Nacht bleiben durfte, die also für mich nicht in Frage gekommen war (und dann auch sehr weit außerhalb lag). In der Herberge gab es dann nur noch Reste von Leben, zumindest soweit ich das von außen sehen konnte, es gab ein paar Leute, die sich für das Losgehen fertig machten, und das waren dann wohl schon die späten. Der Weg führte an der Universität, einem eindrucksvollen alten Bau vorbei (oder hinein). Natürlich bog ich zu ihr ab, , wie bei mir, die musste ich mir anschauen und die Pförtnerin, die ich fragte, ob ich hinein dürfte, fragte dann, als ich wieder hinaus ging, sogar noch extra hinter mir her, ob ich nicht einen Stempel haben wolle, sie könne mir gerne einen geben. Normalerweise verzichtete ich ja auf diese Nebenbeistempel, aber da die gute Frau das so unbedingt wollte, ließ ich mir eben einen geben - und es stellte sich heraus, dass sie jeden einzelnen Stempel in ein Buch eintrug, und der letzte Eintrag war schon recht alt - entweder die Leute liefen wirklich alle hier vorbei oder aber sie verzichteten auf die Stempel. Ersteres wäre schade, die alten Mauern der Uni lohnen die zwei, drei Hundert Meter abseits des Weges - vor allem der Turm mit den Störchen auf jeder Ecke (echte lebende Störche, nicht gestellt, und nun doch noch flugs bearbeitet, leider gar nicht gut geworden, aber schaut es euch selbst an, auch wenn ich das Bild heute und hier noch gar nicht zeigen wollte, es gehört einfach dazu ;-)
Eckenvögel

Nach der Universität ging es endlich ganz raus aus der Stadt auf's Land und da waren wir wieder ganz gemütlich beieinander, ich, meine Gedanken und meine Musik per MP3-Player - und sicher nichts Christliches, tut mir ja Leid, aber zum bekennenden Gläubigen war ich bisher noch nicht geworden und würde es auch nicht werden, ...
Ich wanderte brav nach Schrittzähler, ließ das erste Dorf mit seiner Bar aus und verzichtete auf den Kaffee, hatte ich doch noch nicht die 12 000 bis 15 000 Schritte gemacht, die ich mir bis zum Kaffee vorgenommen hatte. Aber bei Kilometer 19 und vielen vielen Schritten war es dann doch so weit, es gab eine Bar und darin einen Kaffee, obwohl die gute Frau, die ihn zubereitete, sich fast tothustete in den langen langen Minuten, die sie brauchte für jeden einzelnen Handgriff - einer der Momente, wo ich zuschaute und überlegte, dass man im Leben sicher viele viele Bakterien abbekommt (und natürlich auch verteilt).
Danach ging es durch eine etwas seltsame Gegend, nicht gar zu hügelig, eher sanft gewellt, erschien sie mir als Ebene (aber wirklich eben war sie auch nicht, es gab immerhin Höhenunterschiede von ca. 150 Metern, aber nach einem Jahr täuscht die Erinnerung manchmal. Ich erinnere aber noch sehr gut, dass mir diese Gegend als sehr weit erschien und dass sie geprägt war von Steinhaufen, die überall aufgeschichtet waren, Haufen von Steinen, die die Bauern in Jahrhunderten aus den Feldern gesammelt hatten und die sich jetzt auf großen Haufen türmten.
Ebene


Und aus diesen Haufen bastelte ich in meiner Phantasie ein kleines großes Kunstwerk: ausgerichtet in Richtung Santiago wären es Steinwürfel, gebaut aus genau diesen Feldsteinen, ein ganz harmlos kleiner als Spitze mit einer Kantenlänge von 2,5 m, dann in einigem Abstand einer von 5 m, der nächste hätte 20 m und der letzte dann 40 m. Alle wären gleich ausgerichtet, so dass sie, von oben betrachtet, ein langes Dreieck bildeten, dass nach Santiago wiese. Lustig dabei war, dass ich mir das ganze wirklich in allen Details ausmalte, mir überlegte, wie es zu errichten wäre, berechnet, dass die aufgehäuften Steine in der Umgebung noch für weit größere Bauwerke reichten, auch überlegt, was man drum herum alles machen könnte. Spannend war das, eine Phantasie, wie ich sie schon lange nicht mehr entwickelt hatte, vor allem nicht in der konsequenten Verfolgung.
In Hontanas war ich dann recht früh schon angekommen, bekam natürlich sofort ein Bett und genoß das Leben in der großen schönen Stadt mit mal wieder 67 Einwohnern ( http://de.wikipedia.org/wiki/Hontanas ). Gegenüber der Herberge gab es dann tatsächlich ein Cafe und ein Restaurant, es gab eine Kirche im Dorf und ein altes Haus, das renoviert wurde, sogar ein paar Kinder gab es, aber einkaufen war richtig schwierig, weit und breit war kein Laden zu finden, der nächste wäre im Dorf, wie mir gesagt wurde - blos, wo kamen die Frauen her, die Einkaufstaschen nach Hause schleppten, gab es doch auch nur einen Bus, wie mir erklärt worden war, morgens früh nach Castrojeriz und abends spät zurück. Des Rätsels Lösung war ein Verkaufsauto, wo ich dann auch ein Brot bekam, Käse dazu hatte ich noch reichlich durch die Welt geschleppt.
Im Cafe dann leichtes erstaunen, als ich meinen Kaffee brav auf Spanisch bestellte und die Bedienung dann auf Englisch mit mir sprach, erklärte, das fiele ihr leichter als Spanisch und wir dann flugs feststellten, dass wir beide aus Deutschland kämen und ganz einfach Deutsch sprechen könnten - und nicht nur das, nett war sie und nett anzuschaun dazu, so dass der Kaffee am Nachmittag den vom Mittag wieder locker ausglich.
Und weil's bereit auf der Festplatte liegt, gibt's noch ein Bild von Hontanas:
Hontanas
Abends war nicht mehr viel zu tun, ausnahmsweise hatte ich viel gewaschen (bei 2 Hosen, immerhin drei T-shirts, drei paar Socken, drei Unterhosen, nur einem warmen Pulli ... war öfter mal Waschen angesagt, auch wenn es gar nicht viele Teile waren, die gewaschen werden mussten, so doch so ziemlich jeden Tag). Sogar meine Kontaktlinsenbehälter waren klinisch rein und bakterienabtötend luftgetrocknet. Abends gab's dann noch ein Bier in der Kneipe der Herberge und das Nacharbeiten im Tagebuch, außerdem einen Anruf in Deutschland, einen in Istanbul - irgendwie fühlte ich mich tatsächlich ein wenig einsam, nachdem ich wirklich interessante Leute nicht getroffen hatte, während um mich herum eine Menge älterer Deutschländer waren, wohl mehrere Gruppen, auch das Paar aus Kassel - naja, nicht direkt, Hofgeismar - war hier, aber niemand von den Leuten, mit denen ich mich wirklich richtig gut unterhalten hatte und wieder hätte.
Also ging ich früh ins Bett, las noch und schlief auch bald ein.

Strecke: 30 Km, 41 000 Schritte
Wetter: Warm und sonnig
Allgemeinzustand: gut, etwas melancholisch am Abend, Knien geht's viel besser, konnte sogar ins obere Bett klettern, hatte aber festgestellt, dass ich zu viel rauchte, über den Tag verteilt eine ganze Schachtel Zigaretten!

Montag, 4. Mai 2009

Jakobsweg - 04.05.2008: Burgos

Ruhetag in Burgos:
Lange lange geschlafen hatte ich (bis ca. 8.30 Uhr!).
Frühstück gab's dann auf dem Bett aus der Tüte, lustiges Mampfen von einem Stück Brot mit Käse und Wurst (hey, die Wörter fallen mir teilweise sogar wieder ein, musste ich ja teilweise einkaufen in richtig kleinen Läden, also wurde losgestammelt "un pan por vavor ve un poco queso ..." (na, teilweise gab's ja auch Supermärkte für den Einkauf ;-) Der Nachteil bei den Billigpensionen war allerdings, dass man zum Frühstück keine Möglichkeit hatte, einen Kaffee zu bekommen, den gab's dann erst draußen, im nächsten Café - wo ich dann feststellte, dass es tatsächlich zwischendurch geregnet hatte.
Nach dem Kaffee dann also viel Burgos: eine Menge Volk war dort unterwegs, es gab Kunst auf den Straßen, und das eine oder andere Museum, allerdings eine geschlossene Touristeninformation, so dass ich die kulturellen Höhepunkte nicht so einfach fand.
Aber auch, wenn es spannend gewesen wäre, mal mehr als nur durch die Welt latschen und Stadtbilder aufzusaugen, blieb mir so viel anderes nicht übrig: ich fand zwar das Stadtmuseum, kam wohl auch an einer Uni vorbei, aber das war's dann auch schon. Im Museum war das Photographieren natürlich verboten, also gibt's von da nix, aber immerhin gibt's eine Menge Kunst draußen in der Welt, die sich dann teilweise auch mit der Bedeutung Burgos als Großstadt auf dem Jakobsweg auseinander setzt - und typisch für die Pilgersleut sind ja die Hüte:
Hut

Lange lange Zeit latschte ich dann durch die Stadt auf der Suche nach einem Internet-Café, schließlich wurde der Platz auf meiner Arbeitsspeicherkarte stetig weniger und die Photos immer mehr (es ist dann tatsächlich auch nur ein Bruchteil, der hier erscheint, übrigens allesamt bisher mit einer Ausnahme davor unveröffentlicht), und ich wusste ja nicht, wann ich das nächste Mal in einer etwas größeren Ortschaft wäre, wo man davon ausgehen musste, dass es Internet-Cafe´s gäbe. Aber nach langem Suchen gab ich auf und begnügte mich statt dessen mit einem Einkauf in einem richtig fetten Supermarkt, wo es alles mögliche gab, Joghurt z.B., verschiedene Obstsorten, Käse natürlich, Meeresfrüchte aus Galizien in Konserven (die liebe ich ja, allerdings frisch noch viel mehr), Brot sowieso und vielleicht sogar schon den löslichen Kaffee, den ich später unterwegs immer wieder mal fand und kochen konnte, sofern es einen Topf und eine Kochmöglichkeit gab - und die gab es in fast jeder Herberge, aber oft genug kein Frühstück, keinen frischen Kaffee und nicht mal einen Kaffeeautomaten.

Den viel zu schweren Einkauf (Konserven, dann auch gleich noch zwei, wenn auch nur die ganz kleinen!), Äpfel in riesigen Mengen, soweit ich mich erinnere, gleich 4 Stück, Käse und (!) Wurst, all diese Luxusschlemmereien brachte ich in mein Zimmer, wo es dann auch gleich Mittagessen aus der Tüte gab, das Gewicht, das aus dem Einkaufsrausch resultierte, gehörte schließlich wieder reduziert. Dann gab es wieder eine Kathedrale zu besichtigen:
href="http://www.erik-nehring.de" title="Kathedrale">Kathedrale

Wie immer war auch diese Kirche auf's heftigste verziert mit Heiligenfiguren, Kreuzen, Jesusen, alles mindestens in Gold und besonders wertvoll, alles etwas übertrieben und sehr gewöhnungsbedürftig für jemanden aus evangelischer Herkunft, wo das "Du sollst dir kein Bildnis machen" irgendwann mal recht ernst genommen wurde, was auch heute noch in der Architektur zu bewundern ist und wo Heilige vielleicht in netten Geschichten wohnen aber ganz sicher nicht angebetet werden und wo selbst das Kerzen anzünden keinen Platz im persönlichen Glaubens-Alltag hat. Also war ich auch hier geblendet, machte dreitausend Goldphotos (die alle mehr oder weniger für'n Müll sind), widmete mich dann auch dem Sohn vom Chef (den kenne ich als geborener Evangele immerhin auch ;-)
Chef

Wirklich faszinierend fand ich in den spanischen Kirchen aber immer wieder die Gräber der Kirchenoberen und sonstigen Würdenträger, die es reichlich gab. Da wurden die Toten in einer Realistik dargestellt, (zumindest sehen sie sehr nach Menschen aus, vielleicht heftig geschönt, das mag sein, insofern also nicht realistisch, aber eben sehr sehr menschlichen Formen entsprechend), in einer Fülle an Details und einer Kunstfertigkeit, die ich selten gesehen habe. Und natürlich musste ich die dann auch immer wieder photographieren.
Grab

Ich verbrachte viel viel Zeit in Straßencafés, und betrachtete mir das Leben dort. Die Stadt füllte sich ab Mittag ganz allmählich mit Pilgern, immer wieder sah man Leute mit Rucksäcken an der Kathedrale vorbei kommen, sah sie in Cafés sitzen, sah die Rucksäcke dann wieder verschwinden. Das war schon eine spannende Beobachtung, vor allem weil ich ja außer an meinen eigenen Pausentagen genau so mit Rucksack, müde, schmutzig in eine Stadt kam, oft genug ein Weilchen saß und etwas trank, irgendwo in der Nähe der Kirche, Kathedrale, dem Zentrum dann wieder in einer Herberge verschwand, um etwas später frisch geduscht und gestriegelt heraus zu kommen, mich umzuschauen, vielleicht ein paar Worte aufzuschreiben, zu essen und trinken um dann wieder in der Herberge zu verschwinden, während ich am anderen Morgen lange vor wach werden schon wieder hinaus stapfte aus der Stadt.
Ich sah natürlich nicht nur die Pilger sondern schaute mir viele Schuhe an (wie passend, mein "steps Projekt" http://erik-nehring.de/steps/steps.htm , das auch jetzt immer noch im Kopf war und mich auf Füße, Schuhe und Untergründe achten ließ, während ich doch das allererste mal von diesem "Jakobsweg" in einem Schuhladen gehört hatte, wo ich mir ja selbst jene blauen Schuhe gekauft hatte, in die ich mich verliebt hatte und wo ich jene Pilgerin kennenlernte, die letztendlich diejenige war, die den Traum "Jakobsweg" in mir ausgelöst hatte) und neben den Schuhen fand ich in Burgos endlich mal einen Hinweis auf die maurische Geschichte in Spanien (und ich weiß noch, dass ich nicht allein war, als ich diese Photo machte, dass ich der Person gegenüber erwähnte, dass es verwunderlich sei, so wenig Maurisches zu sehen, womit diese Person nichts anfangen konnte - aber ich weiß nicht mehr, wer das war, vielleicht Sandra, vielleicht Helmut, der wohl auch in Burgos war, vielleicht die beiden Hessen, davon habe ich heute absolut keine Idee mehr, schade eigentlich).
Maurisches

Abends gab es dann wieder ein Abendessen aus der Tüte (ich hatte sogar zwei verschiedene Salate eingekauft, auch die unendlich schwer, wenn auch endlich mal etwas mit ein wenig Grün herinnen, mit Gemüse, das dann doch irgendwie fehlte unterwegs). Danach war ein Ausflug ins Nachtleben geplant, aber die meisten Pilger mussten ja früh schlafen gehen, so wurde unsere Gruppe ab 21 Uhr sehr klein und ich lag dann auch um 23 Uhr im Bett, obwohl ich in der Pension mit meinem Schlüssen ja kommen durfte, wann ich wollte ;-).


Strecke heute: nix (na gut, zwischen 5 und 10 km Runden durch die Stadt, niemand weiß genau wie viel und den Schrittzähler hatte ich am Rucksack, der war in der Pension - und die Zahlen habe ich ja damals sowieso alle nicht aufgeschrieben, benutzte sie nur, um mich selbst zu beeindrucken).
Wetter: Regen in der Nacht, am Morgen ein bisschen, später dann sonnig und wieder trocken
Allgemeinzustand: Wohlgemut und zufrieden - die Knie machten immer noch Schwierigkeiten, so sehr, dass sogar ein Museumswärter, als er meiner und meiner Gangart ansichtig wurde, mir extra den Weg zum Fahrstuhl erklärte, wo ich meine armen Knie schonen könnte.

Sonntag, 3. Mai 2009

Jakobsweg - 03.05.2008: Agés => Burgos

Es war eine sehr kurze Etappe, 19 km oder so, aber trotzdem anstrengend. Meistens ging ich recht langsam normal, aber zwischendurch hatte ich mal eine Sausephase, ich weiß nicht, warum, es hat sich einfach ergeben. Und danach taten dann die Schienbeine weh - genau das Problem, das auch Helmut hatte, bei ihm blos viel stärker.
Die Spanierin hatte mir ein paar mal zugelächelt (ja doch, ich ihr auch), während wir uns unterwegs immer wieder begegneten, und beim letzten mal sogar zugewinkt, aber da ich als Luxusmensch ja vor hatte, in den größeren Städten zwei Nächte zu bleiben, um mich in aller Ruhe umschauen zu können, und mir dementsprechend in Burgos gleich eine Pension suchte, würde ich sie wohl nicht mehr wieder sehen, da sie ja in der Herberge wohnte und am nächsten Tag weiter zöge.
Soweit die Zusammenfassung.
Inzwischen habe ich ganz viele Photos gefunden für jenen Tag, also muss ich gleich noch ein bisschen des Tages rekonstruieren auf dass die Photos nicht einfach so allein dastehen (und niemand auch nur einen Funken einer Chance hat, sie zu verstehen), sondern deutlicher wird, was ich versuchte zu photgraphieren (na, zumindest ich weiß es dann wieder ;-)

Also, gleich hinter Agés gab's die berühmte Brücke, die der heilige Juan de Ortega baute, die habe ich auch photographiert, aber brücken hatten wir doch schon einige - und einige kommen noch, nicht von heiligen erbaut aber mindestens genauso anschauenswert. Viel eindrucksvoller fand ich ja auf der Strecke die prähistorischen Sachen bei Atapuerca. (Infos zu Atapuerca, das auch auf der Liste des Weltkulturerbes steht, z.B. hier http://www.spanien-aktuell.com/article.513.html )
Steinzeit
Die Steine direkt am Wegrand sind allerdings nicht die echten aus der Steinzeit, sondern das Ergebnis von Versuchen aus der experimentellen Archäologie (Transport solcher Steine mit steinzeitlichen Hilfsmitteln und Aufrichtung - und nein, Däniken hatte nicht recht, man braucht dazu keine UFO-Technik ;-). Ob es inzwischen ein Museum oder die offizielle Möglichkeit gibt, die Ausgrabungen zu besichtigen, weiß ich nicht, wusste ich auch damals nicht, niemand hatte mir etwas sagen können in den Herbergen und auch sonst nicht, ich wusste nur, dass es in Ibeas de Juarros ein Museum geben sollte, das liegt etwa 4 km entfernt vom Weg, wäre also ein Umweg gewsen durch Feld und Stein ohne verlässlichen Weg - vielleicht gibt es Feldwege - und hätte bedeutet, dann entweder wieder zurück zu wandern (also insgesamt 8 km, 2 Stunden mehr) oder aber den Rest bis nach Burgos direkt an der Schnellstraße zu gehen.
Ich verzichtete und kletterte statt dessen direkt auf den Matagrande, einen Berg mit einem kleinen Plateau oben drauf, wo Pilgersleut ein spannendes Kunstwerk basteln, eine Steinspirale, von der ich mangels Flugzeug nur einen winzigen Ausschnitt photographieren konnte:
Steinkreis
(etwas größer zu sehen, wenn man auf das Bild klickt, aber einfach kein gelungenes Photo, auf einer Fremdseite habe ich eins gefunden, dass einen etwas besseren Eindruck vermittelt: http://www.rexeis.at/burgos.htm )

Von der kleinen Hochebene des Matagrande ging es zunächst einen höllischen Abstieg hinab, den ich größtenteils rückwärts hinunter kletterte - tatsächlich ist das viel schonender für die Knie, als vorwärts hinunter zu stolpern, dann wieder führte der Weg durch angenehm zu wandernde Landwirtschaftslandschaft bis zur Überführung über die Autobahn kurz vor Burgos. Dort war ich eigentlich auf dem richtigen Weg - es gibt zwei Möglichkeiten - aber aus irgendwelchen dummen Gründen ließ ich mich von einigen Leuten, die felsenfest behaupteten, dieser Weg sei gesperrt, überzeugen, dass der andere Weg, der ja auch nicht wesentlich länger ist, genauso gut sei, vor allem, da ich ein Weilchen mit der spanischen Familie wandern konnte ;-)
Von denen trennte ich mich allerdings schnell wieder, sie waren einfach zu langsam und wanderte alleine bis zum Flugplatz von Burgos, damals eine gigantische Baustelle mit Zäunen abegrenzt, heute vielleicht schon fertig.
Agés

Irgendwo zwischen diesen wirklich kilometerlangen Zäunen traf ich dann Sandra - in meinen Aufzeichnungen von damals schrieb ich "ich hätte sie normalerweise nie kennen gelernt, aber auf dem Weg ...", ich weiß, dass wir dann bis nach Burgos hinein zusammen gewandert sind, dass sie auch nach einer Pension suchte, dass wir dann nach einiger, nicht ganz so einfacher Suche doch eine Pension fanden, wo es freie Zimmer gab, zwar etwas herunter gekommen, wieder mit Klo und Bad auf dem Flur, mit Tapeten, die wohl der Opa der nicht mehr jugendlichen Wirtin in seiner eigenen Jugend geklebt haben mochte, mit Türen, die nicht so aussahen, als könne man sie tatsächlich schließen (ging dann aber doch), uralt, einfach, unendlich durchgelegene Sprungrahmen mit genauso verbrauchten Matratzen, ...), aber jeweils eigene Zimmer und basta. All das weiß ich noch, aber ich kann mich an Sandra, an die Person, nicht mehr erinnern, und bisher habe ich von ihr auch noch kein Photo gefunden, obwohl wir doch den ganzen Nachmittag und Abend miteinander verbracht haben.
Zurück zur Strecke: nach dem Flugplatz stieß der Weg auf Castanares, einen Vorort von Burgos und dort auf die Nationalstraße 120, die auch den Titel "Calle del Camino de Santiago" trägt, "Straße des Jakobsweges".
Calle del Camino de Santiago

Nach dem fast ländlichen Castanares kamen wir dann in die echten Vororte der Stadt Burgos, sehr herunter gekommene Vororte mit zerfallenen aber immer noch bewohnten kleinen Häuschen, Resten von Industrie, typischen Sachen, wie man sie in solchen verlorenen Orten immer findet: Graffiti (selten wirkliche Kunst, viel Schmiererei, viel verbaler Fekalismus), Satellitenschüsseln, Müll überall, Viedeotheken, Läden mit wenig mehr als Alkohol im Sortiment, die genauso schmutzig aussehen wie die Gasse, an der sie liegen ...
Burgos

Aber natürlich gab es nicht nur Müll und Dreck, es gab auch ein paar schöne Anblicke, z.B. eine alte Villa direkt neben einer dem Verfall preisgegebenen Fabrikhalle aus lang vergangener Blütezeit, die Überreste eines Flachbaus voller auch sehr kunstvoller Graffiti, schön gepflegte Gärten, ...
Graffito in Burgos

Spannend war es, den Weg durch die Stadt zu finden - mehrere Kilometer immerhin, ein Weg, der über kleine Gassen führt, gekennzeichnet durch gelbe Pfeile an Hauswänden, auf den Bürgersteigen, nicht immer leicht zu finden, aber auch in der Stadt war das kein großes Problem, auch wenn es mehr oder weniger im Zick-Zack bis zur Kathedrale ging.
Im Stadtzentrum dann auch einige Hotels, Pensionen und schließlich auch die Pension, die Zimmer für uns hatte.
Nach einer Dusche und einer kurzen Ruhezeit bekamen wir dann erst einmal einen Kaffee in der Bar nebenan und spazierten dann durch die Stadt, in der es arg viele Hochzeiten gab. Für eine der Hochzeiten spielte eine Musikgruppe, alle Musiker gekleidet in Gewändern, die der Historie angelehnt waren und der Chef und Dirigent sah in seinem Gewand aus wie Dracula höchst persönlich. Von ihm musste ich einfach ein Photo haben, leider aber waren immer andere Leute zwischen mir und ihm und bevor ich hätte hin gehen können, war er mit der Hochzeitsgesellschaft im Innern der Kirche verschwunden, also musste ein weniger gelungenes Bild ausreichen:
Dracula

Tageskilometer: ca. 20 plus 4 oder 5 später beim Stadtspaziergang ;-)
Wetter: warm, sonnig, trocken
Allgemeines: Gut ging's mir, auch wenn die Knie immer noch schmerzten


Anmerkung zum Editieren:
Vieles habe ich wirklich vergessen, an einiges kann ich mich ja dann wieder erinnern, Dracula zum Beispiel, die Situation war wieder vollständig präsent, als ich den Tag rekonstruierte, während andere Sachen völlig vergessen sind und ich mich auch jetzt, nach einigen Stunden, die ich Photos angeschaut, ausgewählt und bearbeitet habe, einfach keine Bilder im Kopf auftauchen, keine Gefühle, keine echten Erinnerungen (so kann ich mich an Sandra wirklich gar nicht erinnern, auch wenn mir wieder eingefallen ist, dass wir an der Pension, in der wir dann endlich wirklich unsere Zimmer fanden, einige Male vorbeigegangen waren und vermutet hätten, sie wäre zu teuer für uns - 15,- € war dann aber doch nicht soo viel ;-)
Und daran, dass ich jenes Photo gemacht hatte, daran kann ich mich auch nicht erinnern, auch nicht wo und wann, wie ich auf die Idee kam, überhaupt hoch zu schauen, ... :
Dracula

Samstag, 2. Mai 2009

Jakobsweg - 02.05.2008: Belorado => Agés

als einer der ersten war ich aufgewacht, hatte wirklich gemütlich und ausführlich gefrühstückt und dafür gesorgt, dass immer alle kaffee und tee hatten (ich wäre ein prima herbergspappi ;-), hatte fix gepackt und war trotz des richtig langen frühstücks schon früh unterwegs. von Belorado aus gings auf 13 kilometern ca. 200 meter hinauf - sonderlich anstrengend war es nur auf einem teilstück hinter Villafranca Montes de Oca, wo sich der Weg wieder von der Nationalstraße trennt und man 200 höhenmeter auf weniger als 2 km strecke hinter sich bringen muss. Dann führte der weg aber über lange strecken durch forstindustrielle nadelholzwüsten und war unendlich langweilig und auch nicht besonders angenehm zu gehen.
forstindustrielle Wüste

auf dem Pico Valbuena dann ein Denkmal für die Gefallenen des Bürgerkrieges - Monumento a los Caldos - (und ich war ausnahmsweise recht photographierfaul, hatte gar keine lust, zu photographieren, denn ich war der Meinung, es gäbe sowieso nichts lohnendes zu photographieren.
vor mich hin wandernd schaute ich ich weiß nicht wohin als mir eine gruppe entgegen wanderte, vom denkmal richtung Villafranca. nun, bei dem schönen wetter waren sowieso überall recht viele leute unterwegs, also war das nichts besonderes. aber plötzlich traf mich der erotische schock: ein bisschen hinter den anderen, älteren gruppenmitgliedern wanderten zwei junge frauen, sehr jung, höchstens anfang 20. und die eine mit kurzen blonden haaren, einen rundlichen gesicht und einem sehr wohlgeformten körper, wusste diesen dann duch das eng anliegende top, die fast genauso enge short dann auch sehr gut zur schau zu stellen. und das, was mich wirklich aus meinem pilgertran riss, war, dass sie mir seit dem moment, in dem ich sie wahrnahm (die beiden waren höchstens 20 meter entfernt, als es dann so weit war, dass ich sie sah, bewusst zumindest), die ganze zeti, die sie in meinem blickfeld war, schaute sie mir in die augen, lächelte und begrüßte mich dann auch mit einem fröhlichen "hola!", so wie man einen lieben freund begrüßt, den man endlich wieder sieht.
Ja, "erotischer Schock", genau das ist der begriff für meinen zustand, ein anderer fällt mir nicht ein, egal, ob ich mich jetzt mal wieder als oberflächlichen chauvinisten geoutet habe oder nicht. geschockt war ich, gelähmt, brachte wohl ganz brav und gut erzogen auch ein "hola" heraus, vielleicht sogar ein gegenlächeln, aber innen herinnen war erik einfach nur gelähmt und im schockzustand - war ich doch einfach nur nichtsahnend und in irgendwelche gedanken vertieft, vor mich hingewandert ... und selbst wenn ich gewollt hätte, ich hätte in der situation nichts anderes machen können, als noch ein paar schritte weiter zu wandern, mir dann das denkmal genauer anzuschauen, und dann einfach weiter zu ziehen - nicht einmal nachblicken konnte ich ihr.
(So, jetzt habe ich tatsächlich mal etwas von mir verraten, das etwas mehr ins innenleben blicken lässt als die einfache wegbeschreibung ;-)
denkmal-photos habe ich dann zwar doch noch versucht, aber die sind öde, war ein ödes denkmal, also hier eins vom weg inclusive denkmal:
 denkmal

na, es ging also wieder weiter, 3/5 des weges nach San Juan de Ortega war geschafft, wo ein nettes Kloster auf mich wartete und wo ich dann nach 24 kilometern meine tagesstrecke hinter mich gebracht hätte, duschen würde, das kloster besichtigen und sicher auch eine bar fände, wo es ein bier für den abend gäbe ...

(So, anmerkung während des schreibens: ich hatte die ganze etappe fast fertig, als der computer einen schluckauf bekam (die rücktaste der tastatur klemmt manchmal und das sehe ich erst, wenn der curser zurücksaust, diesmal war ich gerade schon dabei, mit der maus irgendwas zu machen, mit dem endergebnis, dass hier im browserfenster chaos geschah und die arbeit von stunden und aber stunden gelöscht war - ich glaube, ich muss demnächst eine methode entwickeln, offline zu arbeiten )-:

weiter im text: den gemütlichen weg zum kloster San Juan de Ortega schaffte ich in etwas mehr als zwei stunden (130 minuten für 10 km ist doch nicht schlecht, wenn man davor schon 14 km hinter sich gebracht hat, oder? *angeb*: -) aber die geschwindigkeit ist andererseits ja auch kein wunder, hatte es seit dem frühstück keinen kaffee mehr gegeben und bot die strecke zwar keine probleme mehr (es ging beständig schwach bergab) aber auch nichts, was vom wandern ablenken würde, nichts an rastgelegenheiten, nichts für photopausen, nichts besonderes. meine gedanken schweiften wieder durch die welt (die schönheit von vorher war schon mehr oder weniger vergessen), so wie es auf dem weg meistens war, die gedanken schweiften und ich wäre nicht in der lage gewesen, mich an besondere denk-highlights zu erinnern oder den gedankenfluss zu rekonstruieren ...
kurz: ich kam flugs beim kloster an, entdeckte auch gleich die bar dort und bekam genauso schnell mit, dass kloster (wegen renovierung) und herberge (weil der priester, der sie gemanagt hatte, vor kurzem 82jährig verstorben war und es an einem nachfolger fehlte) geschlossen waren, dass ich also weiter müsste.
nichts desto trotz gab es erstmal ein eis und einen kaffee, ein paar allgemeine gespräche mit anderern pilgern, es wurde gemunkelt, in Agés gäbe es vielleicht noch schlafplätze, vielleicht hätte auch der ort hinter Agés noch eine herberge, sicher sei das nicht, und Agés sei ganz sicher ausgebucht, an der strecke gäbe es wohl noch ein paar pensionen, die arg teuer wären, und es sei unmöglich, noch einen schlafplatz zu finden, bis burgos sei alles voll, wahrscheinlich müssten wir irgendwo im wald auf einer wiese schlafen, und sicher gäbe es in Agés oder Atapuerca eine herberge mit freien plätzen ...
kurz: niemand wusste irgend etwas (aber immerhin hatten die meisten schon vor mir gehört, dass die klosterherberge geschlossen sei). niemand wusste etwas, alle aber hatten etwas zu vermuten und lautstark zu verkünden.
ich trank noch einen kaffee und wusste ganz sicher, dass ich noch nach Agés gehen könnte, um dort zu schauen, wie es in den herbergen aussähe, dass ich dann vielleicht sogar noch nach Atapuerca weiter wandern könnte (das wären dann insgesamt 32 km, also auch zu schaffen), und dass ich dort, wenn es keine herberge und keine pension gäbe, einen bus ins nahe burgos finden würde oder notfalls ein taxi, das man sich ja dann mit ein paar leuten teilen könnte, um dann in burgos eine bleibe zu finden - ganz sicher würde ich keine hektik machen und ganz sicher würde ich in einem bett schlafen um morgen weiter zu sehen.
Also zog ich irgendwann wieder gemütlich weiter, machte ein photo vom kloster vom weg aus, da ich ja nicht hinein hatte können und fertig:
kloster

(na, in etwas größer sieht's besser aus, wenn die bilder dann als ordentliche galerie online sind, gibt's hier einen link, obwohl, ich kann es ja gleich mal einfach so hochladen: http://www.erik-nehring.de/jakobsweg/08-05-02-5211.jpg - ich hoffe, die adresse stimmt.

auf dem weg nach Agés dann noch ein lustiges erlebnis: ein mensch kam von hinten wahnsinnig schnell näher. erst hatte ich ihn zufällig beim blick zurück gesehen und mir war aufgefallen, dass er sich sehr heftig bewegte, also guckte ich bald wieder und da war er wahnsinnig nahe, hatte also ein richtig gigantisches tempo drauf.
atemlos erreichte er mich, ein kleiner etwas älterer österreicher, mit dem ich bisher noch nicht länger gesprochen hatte, der sich aber in der letzten herberge als jemand ausgewiesen hatte, der für die kirche diverse herbergen überprüfte und der keinen allzu schlechten eindruck gemacht hatte, von dem ich aber gehört hatte, dass er ganz heftige probleme mit den knien hätte und überlegt hatte, eine weitere nacht in Belorado zu bleiben. der kam jetzt also im sauseschritt heran und fragte mich, als er neben mir war, wo ich zu schlafen gedenke. ich erwiederte, ich würde wohl in Agés schauen. er meinte, da gäbe es wahrscheinlich keine plätze und man müsse ganz schnell sein, um noch irgendwo einen schlafplatz zu ergattern, sagte es, bzw. hechelte es atemlos heraus und sauste schon weiter - ich glaubte meinen augen kaum, als er, der gestern noch eine zweite nacht hatte bleiben wollen wegen seiner kaputten knie, der gejammert hatte darüber, dass die schlafräume im oberen stockwerk gewesen waren, als der nun tatsächlich sehr schnell ging und dazwischen immer wieder strecken lief - und das, obwohl wir die verbleibenden 1,5 km nach Agés überblicken konnten und dort nirgends ein einziger pilger war, den er hätte überholen können, auch weit hinter uns war niemand zu sehen, ich hatte mich tatsächlich gefreut, lange zeit niemanden mehr um mich zu haben.

in Agés hatte ich dann die wahl zwischen drei herbergen, die allesamt freie plätze hatten, in der städtischen herberge, für die ich mich entschied, gab es dann auch noch freie plätze, als das licht gelöscht wurde.

in Agés traf ich dann einige leute wieder (Ina, William, der doch noch da war und von dem ich geglaubt hatte, er sei schon wieder in Barcelona, der aber erst noch nach Burgos wandern würde, die nette Spanierin, die mit mutter und bruder unterwegs war und kein Englisch konnte,was uns beide aber nicht von einem kurzen unverbindlichen flirt abhielt, ... ).

während die meisten essen gingen, erforschte ich das "städtchen" - ich hatte mich wieder für selbstversorgung entschieden.
Agés

Ich fand heraus, dass hier laut der informationstafel in der ortsmitte 63 menschen lebten (es waren heute alleine in der herberge, in der ich schlief, mehr pilger versammelt), dass der ort eine lange geschichte hätte, ...
und hier war die kirche sogar offen, also erforschte ich auch die, nichts besonderes aber sehr schöner schattenfall bei sonnenuntergang:
 morgens früh

heute, ein jahr später, stelle ich fest, dass ich erstaunlich wenig photos von den leuten habe, mit denen ich dort mehr kontakt hatte: bei helmut weiß ich noch, dass der ausdrücklich darum bat, nicht photographiert zu werden, von ihm habe ich also sicher keins. von Ina habe ich welche in Agés, von den Australiern habe ich mehrerer, Karl und Karla habe ich auch, William habe ich auf photo gebannt, die schöne Spanierin zum beispiel nicht, wie ich auch von vielen anderen leuten keine photos habe. sehr interessant das - vor allem wenn man sich klar macht, dass ich eigentlich nur mit vergleichsweise wenigen leuten mehr kontakt hatte, nicht wahllos mit jedem mitwanderte nur um nicht allein zu sein, nicht nach ankunft in der herberge sofort die nächste bar aufsuchte um den rest des tages mit "pilgern" und bier zu verbringen, wie das andere betrieben, die dann auch jeden kannten (und ja, heftig wurde auch gelästert, es gab auch eine menge gerüchte auf dem weg, weg-gerüchte, wonach der eine und die andere sich gefunden hatten auf dem weg, während der eine doch zu hause frau und kinder hatte, wonach des anderen beziehung daheim zerbräche wegen eines wegflirts, ...)
na, bei einigen leuten ist es schade, dass ich keine photos habe, bei den meisten ist es nicht sonderlich wichtig, schade ist es aber allemal, dass ich den zettel mit dem namen des tollen japaners nicht mehr finde, den ich in Ageés auch wieder traf und mit dem ich mich so wunderbar unterhalten konnte - er konnte zwei, drei wörter englisch, mehr nicht, das waren seine fremdsprachkenntnisse, aber er war total nett, schrieb die namen der leute, die er mochte, in japanischer silbenschrift auf (als wir uns das dritte mal begegneten, fragte er auch mich noch einmal ausdrücklich nach meinem namen, den er dann auch in zwei zeichen aufschrieb), ...

Freitag, 1. Mai 2009

Jakobsweg - 01.05.2008: Santo Domingo de la Calzada => Belorado

Wieder war ich früh unterwegs - irgendwie hatte ich mich daran gewöhnt, beim ersten rascheln aufzuwachen (ich war nie der erste sondern wachte auf, wenn andere leute anfingen, im schlafsaal herumzukramen). und wieder faszinierte mich das licht des frühen morgens inclusive der frühnebelschwaden in weiter ferne. die berge schienen fliegenden inseln gleich auf einer luftschicht zu schweben.
 morgens früh

ich wanderte wieder alleine durch eine angenehme, nur sanft hügellige landschaft ohne besondere aussichten. der weg selbst verlief teilweise direkt an der nationalstraße entlang, die allerdings nicht zu heftig befahren war, entfernte sich teilweise auch ein stück von ihr.
die grenze zwischen den beiden provinzen Rioja, wo ich bisher unterwegs gewesen war und Castilla-Leon bzw. deren unterbezirk Burgos war ganz deutlich mit einer modernen landkartenstle gekennzeichnet und somit eins der higlights des tages:
Stele, modern

am rand des weges gab es nur kleine dörfer, teilweise sogar ganz ohne bar - und absurderweise führte der weg einmal ab von der straße und machte einen dicken fetten umweg um durch das dörfchen Viloria de Rioja zu führen - sagenhafte 61 einwohner zählt es, beherbergt angeblich ein café (das ich nicht fand) und hat tatsächlich eine kirche.
jakobswegtechnische bedeutung hatte es vielleicht einmal wegen Domingo Garcia, der dort geboren wurde http://de.wikipedia.org/wiki/Domingo_Garc%C3%ADa - ansonsten aber ist es eine nervige angelegenheit, wenn man müde ist, kaffee braucht, den berg hinauf klettert in eben jener kaffee-hoffnung und dann oben enttäuscht wird, weil das café inexistent ist und die kirche verschlossen ...

ansonsten aber ist der weg hier sehr entspannt zu wandern:
 weg

Belorado an sich ist ein etwas größeres dorf oder gar schon eine kleine stadt, hier gibt es auch wieder mehrere herbergen, an der ersten, neubau, privat, mit pool, wanderte ich wacker vorbei: sie war einfach im nichts gelegen und trotz der fetten werbung für das café dort, gab es nicht einmal echten kaffee.
die nächste herberge war ein kleines haus, das sich an eine noch ältere kirche schmiegte und war eigentlch noch geschlossen, aber der nette man, der auf einem stuhl davor saß, erwies sich als herbergsvater namens karl, hatte heute seinen ersten tag und war spontan aus Österreich angeflogen gekommen, weil derjenige, der eigentlich diese zwei wochen übernehmen sollte, krank war. und karl kümmerte sich nicht um die offizielle öffnungszeit sondern ließ mich und bald auch andere leute ein - allesamt waren wir sehr früh, weil die gesamtstrecke nicht gar zu weit war und es auf dem weg keine bars gegeben hatte, die zum verweilen einluden, während der nächste größere ort ziemlich weit weg war, so dass kaum jemand diese überlange strecke wandern wollte und so die meisten in Belorado blieben.
die herberge wird unterhalten von der österreichischen Kirche, die auch die entsprechende kirche als gebäude pflegt und betreibt - karl hatte also den schlüssel und öffnete sie extra für mich, auf dass ich einen blick hinein werfen konnte. die details aus dieser führung erinnere ich nicht mehr, ich weiß nur noch, dass es sehr dunkel war und das photographieren kaum möglcih, außerdem war es arg kalt herinnen - und hier konnte ich endlich mal jenen heiligen photographieren, der mir in spanien öfter mal begegnete und von dem ich vorher nie gehört hatte (ja, ich gebe zu, meine katholische bildung ist nur rudimentär, bin ich doch ehemaliger evangele und jetzt bekennender ketzer).
 st. kopflos

später bekam ich dann sogar noch eine fußmassage von karl, der diesen service allen anbot und gerade mit einer fertig geworden war, als ich von einem kleinen erkundungsausflug in die stadt zurück kam. er forderte mich einfach auf, mich hinzusetzen und massierte mir tatsächlich meine füße, was dann auch sehr gut tat.

von den steinzeitlichen hölen im Hang über der Kirche erfuhr ich leider erst am nächsten tag unterwegs, so dass ich keine möglichkeit hatte, mich umzuschauen und vielleicht einen blick hinein zu erhaschen - dumm, wenn man seinen luxusreiseführer aufgrund von übergepäck verschenken muss ;-)

abends auf dem hauptplatz im straßencafé dann fernflirt mit einer netten spanischen frau, ein sonnenschirm, der über mir zusammenbrach, zufallstreffen mit den australiern und wiedersehen des älteren brasilianischen paars vom ersten tag in Saint Jean Pied de Port.
Später lieh ich der Herbergsmutter, Karla, meine Mailadresse, weil sie für ihren Bruder eine Übersetzung machen musste, die sehr eilig war. Ich half ihr dann auch noch beim tippen und wir konnten den job sofort erledigen, der sie vor arge probleme gestellt hatte, hatte sie doch keine möglichkeit gesehen, ihrem bruder bei dem broschürchen innerhalb der nächsten tage zu helfen, wie er sie gebeten hatte - internet war ihrem alltag eben doch sehr entfernt.

Zufällig stolperten wir dann noch in das 1 Mai-zeremonie der stadt: der Maibaum wurde aufgestellt, ganz und gar ohne maschinenbeteiligung, nur mit menschlicher kraft:
 morgens früh

spannend in der herberge war, dass sie abends von außen abgeschlossen wurde, während die herbergsmanager Karl und Karla irgendwo im dorf ihre zimmer hatten und zum frühstück wieder in die herberge kamen - das wir aber abends noch gemeinsam vorbereitet hatten und das wir dann am morgen auch ohne die beiden anfingen - abgeschlossen klingt zwar gräuselig, aber man kann die tür im notfall (zum rauchen vor dem frühstück z.B.) von innen öffnen ;-)
auch lustig hier war, dass ich irgendwie die rolle des herbergshelfers erhielt dadurch, dass ich mich mit karl und karla sehr gut verstand (beide in ihren späten 60ern, auch wenn man es karl ganz und gar nicht ansieht) und dass ich früh da war und dann, als karl zwischendurch einkaufen ging, der einzige mensch im ganzen gebäude war, der neue gäste begrüßte oder stempel ausgeben konnte - und stempel sind wichtig auf dem weg, viele leute gehen tatsächlich in jede herberge, in jedes café, in jede kirche einfach nur für die stempel - mir reichte einer pro tag, manche kamen locker auf 5, 6 stempel am tag.

strecke: 22 km, höhenmeter: von 650 auf 850 hoch
wetter: sonnig, windig, aber warm.
allgemein: richtig gut gings mir, selbst die knie schmerzten weniger, ich konnte ohne probleme wandern.

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