Jakobsweg – 21.05.2008: Sarria => Portomarin

Wieder mal als einer der ersten aus dem Schlafsaal heraus, als es anging, laut zu werden – und wie immer brauchten die, die für den Lärm verantwortlich waren, viel viel länger als ich, um den Schlafsaal zu verlassen. In grummeliger Laune machte ich mir ein kleines Frühstück aus den mitgebrachten Vorräten und zog dann raus, wobei sich die Laune im Morgenlicht sofort aufhellte – die ersten Photos habe ich um 6.50 Uhr gemacht, entsprechend früh war ich also aufgeweckt worden.
Sarria früh morgens

Das wichtigste an Sarria ist, dass es etwas mehr als 100 Kilometer von Santiago entfernt ist und verkehrsgünstig gelegen – da man die „Compostela“, die Urkunde, die den Pilgergang nach Santiago de Compostela mit den üblichen Buseübungen und Gottesdiensten bescheinigt, nur bekommt, wenn man die letzten 100 Kilometer zu Fuß geht oder die letzten 200 mit dem Fahrrad (was, soweit ich weiß, dann auch für das Reiten auf Eseln gilt).
Entsprechend dieser Regelung gibt es also Unmengen von Pilgern, die die Urkunde bekommen wollen und in Sarria starten – im Pilgerausweis werden dann möglichst viele Stempel gesammelt um glaubhaft machen zu können, dass man wirklich gewandert ist. Und diese Pilger sind dann oft genug deutlich zu erkennen: ganz und gar nicht abgerissen, perfekt frisiert, perfekt ausgestattet mit allen Utensilien für eine längere Wanderung, soooo sauber, frisch gewaschen und nach Deo und Weichspüler riechend, treten sie in größeren Gruppen auf, trinken schon bei der ersten Rast das erste Bier oder das erste Glas Wein, sind froh gemut und eben echte Pilger (Jakobsmuscheln z:B. habe ich vorher bei nur wenigen gesehen, hier plötzlich bei fast jedem).
Dementsprechend voll waren die Wege dann auch – das Wandern hatte fast etwas von Autobahnverkehr, ständig wurde überholt, nur selten gab es ruhige Momente – und lustig war es, dass immer, wenn es regnete (und es regnete immer wieder mal, nicht wirklich zu stark, aber auch nicht wirklich wenig), wenn Wasser von oben kam, sich viele Menschen irgendwo unterstellten, während man andere einfach so vorbeiwandern sah – die, die lange unterwegs waren, waren eben abtgestumpft genug, um sich aus dem Wechsel von Nass und Trocken noch viel zu machen.
Ganz entgegen meiner Gewohnheit habe ich wohl kein Photo von jenem sagenhaften Kilometerstein gemacht, der die magische 100er Grenze kennzeichnet, oder aber ich versuchte es damals und habe zwischendurch gelöscht wegen Unschärfe oder so. Aber wer's unbedingt sehen will, wird bei Wikipedia fündig: http://de.wikipedia.org/w/index.php?title=Datei:Jakobsweg_100km_Stein.JPG&filetimestamp=20081222221808
Ansonsten gibt es noch ein berühmtes Bauwerk in der Nähe, eine alte Brücke, vielleicht römisch, vielleicht aus dem Mittelalter, ich weiß es nicht mehr und habe auch nicht ordentlich photographiert (zumindest was die Brückenbögen angeht, solche Brücken hatte ich bis dahin schon hunderte gesehen, irgendwann wurden sie dann langweilig). Immerhin gibt es ein Photo, das aus wandertechnischer Sicht entstand:
Ponte Aspera

Zwichendurch gab es dann noch einmal eine Stelle für ein paar Photospielchen – überall war es reichlich feucht und wenn das Wasser nicht als Regen von unten kam, so kam es doch aus jeder Ritze von unten oder als Quelle, Rinnsal oder Bach von allüberall, so dass es auch reichlich Reflektionen gab:
ein Pilger, diesmal moderner

Überhaut war es ein Tag, an dem ich mir sehr viel Zeit gelassen habe für meine Neugierde und meine Photos. Irgendwo entdeckte ich eine kleine Kapelle am Wegrand, die Tür war offen, also lag nichts näher, als hineinzuschauen. Diese winzige Kapelle machte zwar nicht mehr den aller gepflegtesten Eindruck, aber andererseits war sie doch sehr interessant: offensichtlich vor längerer Zeit entstanden und früher stärker genutzt (immerhin gab es einen uralten Taufstein am Rand), heute nur noch verwahrlost und von Pilgern als Ablegestelle für diverse Wünsche und Grüße gebraucht:
Kapelle

Ich verbrachte weit mehr als eine Viertel Stunde dort, während die meisten Wanderer einfach vorbei zogen, manche immerhin einen kurzen Blick hinein warfen und nur die allerwenigsten einen Schritt hinein wagten. Schade, denn irgendwie sind solche verlorenen Orte doch auch faszinierend – damals genauso wie heute noch, zumindest für mich, und ich kann mich auch nach einem Jahr noch sehr gut daran erinnern, mit welcher Gefühlsmischung aus Neugierde, Ehrfurcht und Scham ich daran ging, das, was wildfremde Menschen dort hinterlassen hatten, zu durchstöbern, nach Altem zu suchen, nach Interessantem ...
Kapelle

Genauso fasziniert war ich von einer genialen Lösung, die Waldwege auch dort gangbar zu halten, wo sie bei nassem Wetter zu Bächen wurden – und wirklich trocken war das Wetter nicht, was ja für Galizien auch recht normal ist. Für das folgende Photo, wo ich den Weg einfach ohne Leute photographieren wollte, musste ich mehr als 10 Minuten warten – aber das musste einfach sein, auch wenn ein paar von den Photos mit Leuten auch nicht schlecht sind ;-)
Steinweg

Nach über 300 Photos und viel Zeit mit Gucken und Träumen kam ich dann doch noch in Portomarin an, das im Mittelalter sehr wichtig war, sich aber durch den Bau einer Talsperre am Fluss sehr veränderte – es wurde einfach verlegt, wobei natürlich nur sehr wenig der originalen Bausubstanz verlegt werden konnte – so z.B. die alte Kirche San Nicolás, eine alte Wehrkirche.
Portomarin

Nach dem üblichen Einchecken in der Herberge und der Dusche zog ich ins Dorf, hauptsächlich, weil ich mir die Kirche genauer ansehen wollte. In der war ich dann auch recht lange, auch wenn nicht viel zu sehen war – im Gegensatz zu den meisten Kirchen auf dem Weg, war sie auch im Innern recht einfach und fast schmucklos. Mein Mitleid gehörte einem Vogel, der sich ins Innere verirrt hatte und immer wieder gegen die Scheiben der Fenster flog, unfähig, den Weg hinaus zu finden – aber offensichtlich war dem Vieh nicht zu helfen, die Fenster nicht zu öffnen und das Dach viel zu hoch um ihn eventuell einzufangen und hinaus zu bringen.
Vor der Kirche ertappte ich dann noch zwei Damen, die sich das Pilgern doch sehr einfach machten oder zumindest die 100er Grenze sehr frei auslegten, sind es vom Ort ihres Autoausstieges doch weit weniger als die geforderten 100 Kilometer Fußweg ...
Schummelpilger


Strecke: 22 km
Wetter: unterschiedlich bewölkt, oft Regen
Allgemeine Befindlichkeit: erschöpft aber ohne größere Schmerzprobleme

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